Als 14-Jährige hat Carolina Marin folgende Ziele: Europameisterin, Weltmeisterin, Nummer 1 der Welt und Olympiasiegerin. 9 Jahre später setzt die spanische Badminton-Spielerin den letzten Haken.
Die spitzen, lauten Schreie waren schon während des gewonnenen Finals gegen die Inderin Sindhu Pusarla V. (19:21, 21:12, 21:15) nicht zu überhören. Bei Punktgewinnen motiviert sich Marin stets auf die gleiche auffallend provozierende Weise mit geballter Faust und Blick zur Gegnerin.
Das trägt der 23-jährigen Linkshänderin immer wieder Kritik ein, in Zeiten sozialer Netzwerke auch unterhalb der Gürtellinie. Doch Marin liess sich nie beirren. Körperhaltung, Mimik, Gestik sprachen immer eine deutliche Sprache. «Man muss schreien, um nicht abreissen zu lassen», erklärte Marin die Taktik. «Und man muss zeigen, dass man keine Angst hat. Die Gegnerinnen dürfen nicht das Gefühl bekommen, einem überlegen zu sein.»
Dem Erfolg ordnete die dominierende Einzel-Spielerin alles unter. Zur härtesten Vorbereitung ihrer Karriere gehörten unter anderem Aufenthalte in einer Höhenkammer, Trainings mit blockierten Extremitäten oder mit starken männlichen Sparring-Partnern sowie Sitzungen mit Sport-Psychologen und Mentaltrainern.
Der gleiche unbändige Wille und Kampfgeist wie bei ihrem Idol Rafael Nadal war nötig, um Erfolg zu haben. Als 14-jähriges Einzelkind hatte Marin ihr Elternhaus in Huelva an der Südküste Spaniens Richtung Madrid verlassen, um im Leistungszentrum zu trainieren. 2013, nach der Viertelfinal-Qualifikation an der WM, wurde der Andalusierin bewusst, dass sie mit den besten Asiatinnen würde mithalten können.
Mittlerweile ist sie die unumstrittene Nummer 1 in einem Sport, der davor seit Jahr und Tag von Asiaten dominiert worden war. Marin wurde 2014 und 2015 Einzel-Weltmeisterin, dazu 2014 und 2016 Europameisterin – und nun in Rio de Janeiro als erste Europäerin überhaupt auch Olympiasiegerin. «Damit wurde ein Traum war. In den letzten zwei Monaten habe ich in jedem einzelnen Training daran gedacht, wie ich Gold gewinne», sagte Marin.
Dass sich eine Spanierin Edelmetall im Badminton umhängen lassen darf, ist angesichts der Zahlen erstaunlich. Im Land der einst Flamenco tanzenden Olympiasiegerin gibt es nur 250 Klubs mit rund 23’000 Spielerinnen. Zum Vergleich: In der Schweiz sind es 265 Vereine mit 13’000 Lizenzierten. Von einem Olympiasieg ist Swiss Badminton derzeit aber ungefähr gleich weit entfernt wie geographisch von Rio de Janeiro.