Das Urdenken, sagt Philosoph Arthur Schopenhauer, geschieht in Bildern! Davon ist in «Casse-tête Chinois» viel die Rede.
Das Urdenken, sagt Philosoph Arthur Schopenhauer, der nicht gerade zu den leichtfüssigen Denkern gehört, geschieht in Bildern! Davon bietet «Casse-tête Chinois» viel. Eigentlich gibt es in dem leichtfüssigen Film auch nicht ein einziges Problem, das wirklich grosses Nachdenken erfordert. Die Hauptfigur Xavier ist irgendwie ein Kind des Glücks. Zudem sind all seine Probleme ohnehin vorhersagbar, zumindest für einen Mann, der bis anhin keine Probleme hatte.
Wenn für Xavier in Paris die Liebe erkaltet und ihm die Frau abhanden kommt (samt zwei Kindern), ist das auch kein Problem: Er reist einfach hinterher, nach New York, scheidet sich dort friedlich, von einem zwielichtigen Anwalt gegen horrendes Honorar beraten, um eine Arbeitsbewilligung zu erschleichen, hilft zufälligerweise einem chinesischen Taxifahrer mit grosser Familie – bis all das, was wir jetzt voraussehen, tatsächlich eintrifft…
Alles kein Problem
Und eintreffen kann viel: Eine Ex, eine Braut, eine Frau in Scheidung, eine lesbische Freundin, deren Kind er gezeugt hat, deren Freundin, und – ein Verleger, der ihm rät, wie er diese Geschichte interessant verkaufen kann. Rasch ist das perfekte Personal versammelt, um diese Problemhäufung in der Beziehungs-Komödie von Cédric Klapisch vorbeiklappern zu lassen, zumal wieder viele der Schauspieler vom Team Klapischs dabei sind: Romain Duris, Audrey Tautou, Cécile de France und andere, die wir gerne seit der «Auberge espagnole» oder «Poupées Russes» in Erinnerung behalten. Der Beziehungsknatsch hat sich allerdings weiterentwickelt. Aber nicht in die Tiefe.
Wem hierbei Schopenhauer einfällt, der sieht viel zu viele Probleme auf der Welt. Klapisch hält es dennoch gerne mit dem Philosophen. Höchst einleuchtend zitiert er den Zweifler, der die Welt mit der Feststellung beeindruckte, dass alles Denken in Bildern stattfinde, indem er Schopenhauer im Bild zu einem wunderbaren Bild sinnieren lässt: «Der erste Teil des Lebens stellt sich dem Menschen dar wie die Vorderseite einer Stickerei: Die Farben geordnet, die Formen bildhüsch, das Zusammenspiel in Harmonie. Die zweite Hälfte des Lebens hingegen konfrontiert uns mit der Rückseite der Stickerei. Erst da könne man erkennen, wie das Leben gemacht sei: Lose Fäden, ein Wirrwarr von Farben, ein komplettes Durcheinander der Erscheinungen.»
Das Puzzle der Liebenswürdigkeiten
Gut, dass im Film Xavier ein Verleger rät, wie der Wirrwarr zu ordnen sei: Er steht seinem Autor bei, in dessen Roman wir immer tiefer hineingeraten. Wenn nichts mehr hilft, lässt Klapisch gerne auch einen Hegel auf der Bettkante erscheinen, der über die Dialektik des «Nichts aus dem Nichts» sinniert, ehe er im Nichts verschwindet. Helfen auch die Philosophen nicht mehr weiter, ist da ja immer noch Regisseur Klapisch, der nicht nur sein leichtfüssiges Ensemble bei Laune hält – sondern auch uns.
Derweil greifen wir denn auch gutgelaunt zum Beispiel noch einmal auf Schopenhauer zurück, den Klapisch ja wacker bemüht: Der weist auf die Ungleichheit der Assoziationssphären in den Sprachbildern hin. Diese Ungleichheiten seien der Grund der Mangelhaftigkeit aller Übersetzungen in eine andere Sprache (Parerga II. S. 602). Übersetzungen wirkten in Schopenhauers Augen nur wie die Rückseiten von Gemälden. Vielleicht ist so die deutsche Übersetzung von «Casse-tête Chinois» zu erklären: Auf deutsch bleibt von dem Originaltitel «Chinesisches Puzzle» (oder Geduldspiel) noch: «Beziehungsweise in New York».
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Der Film läuft ab 20.3. in den Kult-Kinos