Der Chef der prokurdischen türkischen Partei HDP, Selahattin Demirtas, hat sich am Donnerstag bei seinem Besuch in Bern dankbar gezeigt. für die Unterstützung des kurdischen Volkes. Er richtete aber auch kritische Worte an Europa.
Seit die EU mit der Türkei das Flüchtlingsabkommen abgeschlossen habe, bliebe die Kritik am türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan aus, sagte Demirtas an einer Medienkonferenz im Bundeshaus in Bern. Besonders Deutschland, das in dieser Frage die Führung innehabe, verschliesse die Augen vor den Repressionen in der Türkei.
Mehr Engagement wünscht sich Demirtas auch von der Schweiz. Das Land sei wichtig in Fragen der Demokratie und müsse deshalb die Stimme erheben. Gleichzeitig bedankte er sich für die Solidarität, die das kurdische Volk durch die Schweiz erfahre. Druckversuche der Türkei dürften nicht hingenommen werden. Jüngst hatte Ankara verlangt, ein kritisches Foto einer Ausstellung in Genf zu entfernen.
Kein Treffen mit Bundesräten
Der türkische Abgeordnete weilte auf Einladung der Parlamentarischen Gruppe für Beziehungen zum kurdischen Volk in der Schweiz. Am Donnerstagmorgen wurde er von Nationalratspräsidentin Christa Markwalder empfangen, am Nachmittag gab es eine Begegnung mit dem Präsidenten der Aussenpolitischen Kommission des Ständerates (APK), Christian Levrat.
Im Anschluss sollte Demirtas Staatssekretär Yves Rossier vom Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) treffen. Im Vordergrund standen Gespräche über die Situation in der Türkei und der Region. Wie das EDA bereits am Mittwoch mitteilte, gab es keine Medieninformationen dazu.
Die Parlamentarische Gruppe hatte im Vorfeld versucht, ein Treffen mit Aussenminister Didier Burkhalter oder Justizministerin Simonetta Sommaruga zu arrangieren. Beide Bundesräte mussten aber aus terminlichen Gründen passen.
«Erdogan den Weg versperrt»
Demirtas ist in einer kritischen Situation in die Schweiz gereist. Er gehört zu jenen türkischen Parlamentariern, denen vor knapp zwei Wochen die Immunität entzogen worden war. Mehr als zwei Drittel der türkischen Abgeordneten hatten damals dafür gestimmt, 138 Parlamentariern die Immunität zu entziehen, davon 50 von 59 HDP-Politikern.
Demirtas gilt als starker Kritiker von Erdogan. Er wirft der türkischen Regierung vor, die kurdische Bevölkerungsmehrheit im Südosten des Landes zu unterdrücken und bei der Offensive gegen Kurden-Kämpfer zahlreiche zivile Opfer in Kauf zu nehmen.
Den HDP-Politikern drohen nun Festnahme und Untersuchungshaft, denn gegen viele von ihnen werden Terrorvorwürfe erhoben. Die Partei hat angekündigt, bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg zu ziehen, um die Aufhebung der Immunität zu verhindern.
Demirtas sagte in Bern, er stehe schon mit einem Bein im Gefängnis. Es seien persönliche Verfahren, denn Erdogan gehe es um Rache. «Wir werden politischen Widerstand leisten.» Dennoch bleibt Demirtas zuversichtlich. Seit den Wahlen im letzten Sommer habe seine Partei viel erreicht. «Wir haben Erdogan den Weg versperrt.»