Marco Chiudinelli steht mit 34 Jahren wieder einmal in der 2. Runde eines Grand-Slam-Turniers – zum ersten Mal seit 2010. Nun hofft er auf mehr.
Marco Chiudinelli ist kein Mann der grossen Worte oder Gesten. Sein Siegesjubel nach einem Servicewinner beim vierten Matchball fällt nicht überschwänglich aus. Kurz die Faust geballt, ein Nicken, ein Lächeln in Richtung seines Anhangs. Dabei ereignete sich auf dem Aussenplatz 15 der riesigen Anlage in Flushing Meadows fast schon Historisches: Erstmals seit sechs Jahren – ebenfalls am US Open – steht der 34-jährige Baselbieter wieder in der 2. Runde eines Grand-Slam-Turniers.
«Ich bin sehr froh, dass ich das Spiel gewonnen habe», erklärte Chiudinelli (ATP 144) nach dem 2:6, 7:6, 6:2, 6:4-Erfolg im Duell zweier Qualifikanten gegen den 59 Plätze schlechter klassierten Brasilianer Guilherme Clezar. Zufrieden war er aber nur zum Teil. «Ich habe hier vier Matches gewonnen, obwohl ich noch nicht mein bestes Tennis zeigte.» Chiudinelli hofft, in der 2. Runde gegen den als Nummer 24 gesetzten Lucas Pouille besser zu spielen. Im vergangenen Jahr bezwang er den Franzosen, einen der Aufsteiger des Jahres, einmal auf Rasen; in der Halle verlor er knapp in drei Sätzen. «Das waren zwei super Matches von mir», erinnert er sich gerne. Er werde am Mittwoch weniger Druck haben.
Die Partie gegen Clezar in der Nacht auf Dienstag durfte er hingegen nicht verlieren. «Ich wusste, dass dies eine gute Gelegenheit war, agierte aber zu Beginn zu passiv.» Die Wende kam im zweiten Satz, der alleine fast eineinviertel Stunden dauerte und den Chiudinelli 8:6 im Tiebreak für sich entschied. Danach war er bei grosser Hitze physisch klar stärker als sein elf Jahre jüngerer Gegner.
Das ist erstaunlich, hat doch Chiudinelli in seiner Karriere schon unzählige Operationen und Verletzungspausen hinter sich. Eine solche ist aber dafür verantwortlich, dass er «vielleicht fitter als mit 30» ist, wie er selber sagt. «Während der sechs Monate, die ich nicht Tennis spielen konnte, arbeitete ich sehr viel an der Kondition.» Auch in diesem Jahr verlief die Rückkehr in die erweiterte Elite nicht geradlinig. Nach einem hervorragenden Start in die Saison geriet der Davis-Cup-Sieger von 2014 in ein Loch.
Nach dem Davis Cup im März in Italien reiste er gleich nach Asien, obwohl er eine Pause nötig gehabt hätte. «Ich wollte unbedingt die nötigen Punkte holen, um am French Open starten zu können.» Das war ein Fehler. Bis zur Viertelfinal-Qualifikation beim Rasenturnier in Newport im Juli passte kaum noch etwas zusammen. Doch Chiudinelli lernte und legte nach dem Heimturnier in Gstaad, das auch nicht wirklich in die Turnierplanung passte, die nötige Pause ein. «Nach einer Woche auf dem Golfplatz um abzuschalten hatte ich einen dreiwöchigen Trainingsblock, der gut tat.» Der Lohn ist die Qualifikation und der erste Erfolg am US Open.
Ein Zufall ist das sowieso nicht. Im Big Apple fühlte sich Chiudinelli vom ersten Moment an wohl. Hier erreichte er 2006 und 2009 zum bisher einzigen Mal die 3. Runde eines Grand-Slam-Turniers. «Die Bedingungen hier liegen mir.» Oder besser: lagen. In diesem Jahr seien sie viel langsamer, und der Ball springe höher als zuvor, bedauert er. Aber: «Ich bin immer happy, hier zu sein.» Auch wenn er seine Emotionen nicht immer in die Welt hinausposaunt.
Er spielt am Mittwochabend voraussichtlich gegen 22 Uhr gegen Pouille. Zuvor kommt bereits um 17 Uhr Belinda Bencic zu ihrem Einsatz in der 2. Runde gegen die Deutsche Andrea Petkovic.