Der ehemalige Ölmagnat Michail Chodorkowski hielt in Zürich einen Vortrag – und sparte nicht mit expliziter Kritik am russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Der ehemalige Ölmagnat Michail Chodorkowski hat am Freitagabend an der Universität Zürich ein düsteres Bild der Rechtssituation in Russland und der russischen Gerichte gezeichnet. Dabei sparte er nicht mit expliziter Kritik an die Adresse von Präsident Wladimir Putin.
Putin halte es punkto Rechtsstaat mit dem ehemaligen spanischen Diktator Franco, sagte der frühere Yukos-Chef am Freitagabend in seinem öffentlichen Vortrag über Wirtschaftsfreiheit und die Rolle der Gerichte in Russland. Es gelte das Prinzip: Freunden – alles, Feinden – das Gesetz. Zu den Freunden Putins zählten bloss eine Handvoll Personen.
Diese einflussreiche Schicht könne die russische Justiz de facto nicht belangen, kritisierte der russische Unternehmer, der seit Anfang Jahr in der Schweiz lebt. Das russische Rechtssystem werde ständig den Anforderung der Regierung angepasst.
Neue Gesetze würden verabschiedet, ohne vorher Experten zu befragen und ohne die interessierten Parteien zu konsultieren. Die Richter seien de facto Beamte, welche den Willen der Personen aus dem engsten Umkreis Putins ausführten.
Brot und Spiele
Der Umstand, dass der russische Staatschef trotz dieser Gratwanderung zwischen Rechtsstaat und Willkürherrschaft im Volk nach wie vor Rückhalt geniesst, ist für den Kreml-Kritiker eine typische Erscheinung autoritär regierter Länder. «Gebt dem Volk Brot und Spiele, oder ein paar Kriege am Rande des Landes, dann ist es zufrieden», sagte er in Anspielung auf die aktuelle Krise in der Ukraine.
Der frühere Oligarch Chodorkowski wurde im Ölgeschäft zum Milliardär. Er war Chef des inzwischen zerschlagenen russischen Yukos-Konzerns. 2004 galt er mit einem geschätzten Vermögen von 15,2 Milliarden US-Dollar als reichster Russe und eine der reichsten Personen weltweit.
Im Lauf seiner Karriere übte Chodorkowski zunehmenden Einfluss auf die russische Politik aus und finanzierte Oppositionsparteien. Der Ölmagnat verdächtigte die Regierung öffentlich der Korruption und profilierte sich als Gegenspieler Putins.
2005 wurde er wegen Steuerhinterziehung und Betrugs verurteilt und sass bis Ende 2013 in Haft. Nach seiner überraschenden Begnadigung durch Präsident Putin kurz vor Weihnachten reiste Chodorkowski Anfang Januar in die Schweiz, wo seine Familie lebt und wo sich auch ein Teil seines umfangreichen Vermögens befinden soll.
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Das Rechtssystem in Russland kritisierte im Interview mit der TagesWoche auch Philosoph und Dissident Michail Ryklin: «Putin setzt Stalins System fort»