Der Internetvergleichsdienst comparis und das Konsumentenforum kf werfen den Kantonen vor, zu wenig gegen Spitalinfektionen zu unternehmen. In einer Umfrage haben sie festgestellt, dass nur gerade sechs Kantone in ihren Spitälern Hygienekontrollen durchführen.
Sechs weitere Kantone verzichten auf eigene Vor-Ort-Kontrollen und vier tun dies ab und zu. «Restaurantküchen werden in der Schweiz strenger kontrolliert als Operationssäle», schlussfolgern comparis und kf in einer Mitteilung vom Dienstag.
Sie kritisieren fehlende Grenzwerte für Keimbelastung und einheitliche Standards für Hygienekontrollen.
Carlo Conti, derzeit noch Präsident der kantonalen Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK), weist die Kritik zurück. Kantone hätten bei der Qualitätssicherung bei Spitälern eine Aufsichtspflicht, wie er der Nachrichtenagentur sda sagte.
Qualitätskontrolle durch Kantone
«Sie haben die gesundheitspolizeiliche Aufgabe für den Gesundheitsschutz, bei den Spitälern zu prüfen, ob diese ihre Verantwortung wahrnehmen.» Die Kontrollen vor Ort würden risikobasiert durchgeführt, seien also da dichter, wo mehr Infektionen beobachtet würden.
Von 26 Kantonen haben 20 an der Befragung von comparis und kf teilgenommen. Regelmässige Vor-Ort-Kontrollen finden in den Berner, Bündner, Luzerner, Nidwaldner, Schwyzer und Zürcher Spitälern statt. Die Kantone Glarus, Solothurn, Obwalden, Jura, Uri und Wallis gaben an, auf eigene Kontrollen in den Spitälern zu verzichten.
Bei Bedarf oder aus begründetem Anlass führen die Kantone St. Gallen, Thurgau, Basel-Landschaft und Basel-Stadt ab und zu Kontrollen durch, wie comparis mitteilte. Die anderen Kantone machten entweder keine Angaben zu Vor-Ort-Kontrollen oder nahmen an der Umfrage nicht teil.
Handlungsbedarf erkannt
Einen gewissen Handlungsbedarf streitet Conti nicht ab: «Die Kantone sollten laufend überprüfen, ob die risikobasierte Aufsicht über die Qualitätssicherung in Spitälern auf dem neusten Stand ist.» Und er unterstützt die zahlreichen Forderungen nach mehr Transparenz.
Qualitätssicherungsinstrumente und Resultate sichtbar und zugänglich zu machen, seien der richtige Weg. In diese Richtung geht der Nationale Verein für Qualitätsentwicklung in Spitälern und Kliniken (ANQ).
Er hat im vergangenen Jahr erstmals einen Bericht veröffentlicht mit Zahlen zu postoperativen Wundinfektionen bei gewissen Operationen wie Kaiserschnitten, Dickdarm-Eingriffen oder Hüftgelenksprothesen.
Im ersten Bericht waren die Zahlen noch anonymisiert und kamen von lediglich 84 Spitälern. In der kommenden Ausgabe sollen die Zahlen nach Spitälern aufgelistet werden, wie der ANQ letztes Jahr in Aussicht stellte. Und da seit 2013 eine Messpflicht gilt, wird bald ein Gesamtbild der Wundinfektionen in der Schweiz entstehen.
Sterile Welt gibt es nicht
Erfasst werden die Infektionen von Swissnoso, der Vereinigung von Spitalhygienikern der grossen Schweizer Spitäler in Zusammenarbeit mit ANQ. Hugo Sax, Leiter der Spitalhygiene am Unspital Zürich und Mitglied von Swissnoso, erinnerte daran, dass es keine sterile Welt gibt. Patienten infizierten sich meistens an eigenen Keimen, denn jeder Mensch trage 1,5 Kilogramm Keime auf und in sich, sagte er.
Aber der Handlungsbedarf sei auf allen Ebenen erkannt. Die meisten Spitäler hätten heute ihre Hygienefachleute und mit Swiss CleanCare gebe es seit 2009 ein nationales Programm zur Bekämpfung von Spitalinfektionen. Zudem habe der Bund eine Qualitätsstrategie lanciert und das neue Epidemiengesetz ermögliche weitere Massnahmen.
Swissnoso geht davon aus, dass in der Schweiz jährlich rund 70’000 Patientinnen und Patienten Spitalinfektionen erleiden. Davon verlaufen rund 2000 tödlich.