Ronaldo und diese EM – das ist bislang keine Erfolgsgeschichte. Nach dem Remis gegen Österreich wird er mit hämischen Kommentaren eingedeckt. Vor allem droht ihm aber mit Portugal das vorzeitige Aus.
Cristiano Ronaldo stand im Pariser Parc des Princes noch auf dem Rasen, da gingen die dicken, manchmal auch hämischen Schlagzeilen schon um die Welt. «CRNull», titelte etwa die Zeitung «Globo» in Brasilien. Portugals «Record» stellte nur ein einziges Wort über ein Foto des traurigen Superstars: «Gescheitert!»
Wenn man so will, hat Ronaldo auch dieses EM-Spiel gegen Österreich allein entschieden – nur eben nicht so, wie man das von dem dreimaligen Champions-League-Sieger und dreimaligen Weltfussballer von Real Madrid kennt. Er verschoss am Samstagabend einen Penalty, vergab noch fünf weitere gute Chancen und traf nur einmal aus dem Abseits ins Tor. 23:3 für Portugal lautete am Ende die Torschussstatistik, 0:0 das Ergebnis. «So ist Fussball», sagte Ronaldo selbst dazu. «So haben wir uns das nicht vorgestellt.»
Wie immer, wenn der teuerste und am meisten polarisierende Fussballer der Welt besonders aus dem Rahmen fällt, sorgt das für eine Vielzahl an Reaktionen. Das war schon nach seinen abschätzigen Kommentaren zur Spielweise von Island so und jetzt auch nach seinem Fehlschuss gegen Österreich. Schadenfreude ergoss sich im Internet über Ronaldo. Dazu gehörte auch ein Twitter-Foto von jenem Torpfosten, an den zuvor sein Elfmeter geprallt war. Der Kommentar dazu: «Champions-League-Sieger-Besieger».
Das Selfie als Höhepunkt
Aus den Minuten nach dem Spiel wird diesmal nur eine Szene von ihm in Erinnerung bleiben: Ein Fan hatte es an allen Ordnern vorbei auf das Spielfeld geschafft, er wollte unbedingt ein Foto von sich und Ronaldo machen. Der 31-Jährige Stürmer blieb selbst dann noch bei dem Mann stehen und hielt alle Sicherheitskräfte zurück, als der Auslöser der Handykamera wieder und wieder nicht funktionierte. Kritiker legten ihm das als einen Akt publikumswirksamer Demut aus. Andere wie sein Teamkollege Vieirinha erkannten darin nur den Ronaldo wieder, den sie auch aus der Kabine kennen («Er ist ein völlig anderer Typ als derjenige, den die Presse zeichnet.»).
So ist das eben mit «CR7»: Fast jeder hat ein nahezu unverrückbares Bild von ihm. Für die einen ist er der arrogante Schnösel. Für die anderen eine Art Naturwunder, das für Real Madrid in 236 Spielen 260 Tore geschossen hat und seit Samstagabend obendrein der alleinige Rekordspieler der portugiesischen Nationalmannschaft (128 Einsätze) ist sowie zusammen mit dem Franzosen Lilian Thuram und dem Niederländer Edwin van der Sar auch noch die Bestmarke bei den EM-Einsätzen hält (16).
Der Final am Mittwoch
Ronaldos Bild bei dieser EM ist noch nicht ganz fertig gezeichnet. Aber das, was sich nach zwei Spielen erkennen lässt, erinnert fatal an das vergangener Turniere. Wie schon bei der WM 2014 droht Portugal erneut ein schnelles Aus, vor dem letzten Vorrundenspiel gegen Ungarn ist der Gruppenfavorit nur Dritter. Von der vorzeitigen Heimreise über ein Achtelfinal-Duell mit Titelverteidiger Spanien bis hin zum Gruppensieg ist am Mittwoch noch alles möglich.
Warum auch Ronaldo persönlich bei einem grossen Turnier wieder einmal nicht so gut spielt wie im Verein, ist nicht so einfach zu beantworten. Liegt es an den Folgen einer Oberschenkelverletzung vom letzten April? Oder ist es der Verschleiss nach einer langen, kräftezehrenden Saison mit Real Madrid?
Trainer Fernando Santos verweigerte sich nach dem Spiel gegen Österreich dieser ewigen, auch Portugals Team belastenden Debatte um Ronaldo. «Ich verstehe ihre Fragen, aber ich werde nicht über Cristiano Ronaldo sprechen», sagte der 61-Jährige. Seine Zuversicht hat Santos dennoch nicht verloren. «Wir haben jetzt einen richtigen Final vor uns. Allein darauf müssen wir uns konzentrieren. Wenn wir den gewinnen, wird das ganze Team daran wachsen.»