Portugal und das Überraschungsteam Wales machen heute in Lyon den ersten EM-Finalisten unter sich aus. Es ist das Duell zwischen Cristiano Ronaldo und Gareth Bale, den teuersten Fussballern der Welt.
«Es geht nicht um zwei Spieler, es geht um zwei Nationen in einem Halbfinal. Elf Männer gegen elf Männer», stellte Bale vor dem Aufeinandertreffen mit seinem Teamkollegen von Real Madrid klar. Beim Champions-League-Sieger sind sie die gefürchtete Flügelzange des BBC-Sturms, die mit Bällen von den Mittelfeldstrategen Luka Modric und Toni Kroos gefüttert werden, in Frankreich sind Bale und Ronaldo in ihren Nationalteams die alleinigen Superstars.
Im direkten Vergleich führt Bale mit 3:2 Toren. Er präsentierte sich sowohl auf dem Feld als auch im Trainingscamp in der Bretagne als absoluter Teamplayer und hatte massgeblichen Anteil am Überraschungscoup der Waliser, die als erster EM-Neuling seit Schweden 1992 in einem Halbfinal stehen. Die Auftritte Ronaldos waren wie so oft an grossen Turnieren diskret. Licht und Schatten wechselten sich beim portugiesischen Captain und dreifachen Weltfussballer des Jahres, dem noch ein Treffer zum EM-Torrekord von Michel Platini fehlt (9), ab.
Kritik lässt Portugal kalt
Obwohl die Portugiesen in Frankreich noch kein einziges Spiel nach 90 Minuten für sich entschieden haben, gehen sie leicht favorisiert in die Partie. Als einzige Nation seit 1996 erreichten sie an EM-Endrunden immer die K.o.-Phase. «Für uns ist es eine neue Erfahrung, sie hingegen standen schon sieben Mal in einem Halbfinal», sagte Coleman. Sie hätten aber ihre Hausaufgaben gemacht und wüssten, was sie erwartet. «Wir haben vor dem Turnier bereits gesagt, dass wir nicht hier sind, um Ferien zu machen, sondern um Siege zu feiern und die Leute stolz machen.»
Während die Waliser für ihre Solidarität und Kampfkraft in höchsten Tönen gelobt werden, nimmt Portugal am Turnier in Frankreich die Rolle des hässlichen Entleins ein. Die Mannschaft von Fernando Santos tritt im Gegensatz zu früheren Turnieren pragmatisch und relativ unspektakulär auf. Auch wenn sie noch auf den ersten Sieg in der regulären Spielzeit warten, in keiner der fünf Partien waren sie das schwächere Team gewesen. Und nur Belgien (98) hat mehr Abschlussversuche zu verzeichnen als der EM-Finalist von 2004 (95), der zum vierten Mal an den letzten fünf EM-Endrunden im Halbfinal steht.
Die Kritik an der Spielweise, die vor allem von den ausländischen Medien kommt, kümmert Santos nicht: «Ich wäre mehr besorgt, wenn alle sagen würden, wir hätten gut gespielt, wir aber bereits ausgeschieden wären.» Sie seien hier, um weder schön noch hässlich zu spielen, sondern um ihre Ziele zu erreichen. «Manchmal muss man pragmatisch sein, um zu gewinnen.» Seit der Ankunft von Santos im Herbst 2014 hat Portugal noch kein Pflichtspiel verloren. Der 61-Jährige mit dem mürrischen Gesichtsausdruck ist in seiner Heimat beliebt.
William Carvalho, Ramsey und Davies fehlen
Für die Spieler sind die kritischen Nachrichten zusätzliche Motivation. «Wir wollen allen Kritikern beweisen, dass sie falsch liegen», sagte Mittelfeldspieler Danilo. Der 24-Jährige vom FC Porto rückt für den gesperrten William Carvalho in die Mannschaft. Der defensive Mittelfeldspieler, der an der U21-EM im vergangenen Jahr zum besten Spieler gewählt wurde, ist wegen der zweiten Gelben Karte gesperrt. Verteidiger Pepe ist angeschlagen und fehlte in den vergangenen Tagen im Training.
Mehr als die Absenz von Carvalho bei Portugal dürfte auf der Seite von Wales das Fehlen von Aaron Ramsey ins Gewicht fallen. Die walisische Nummer 10 und zukünftiger Teamkollege von Granit Xhaka bei Arsenal zeigte mit einem Tor und vier Vorlagen ein starkes Turnier und war beim 3:1 im Viertelfinal gegen Belgien der überragende Mann auf dem Platz. «Er ist einer der besten Spieler an diesem Turnier», so Coleman, der auch den gesperrten Verteidiger Ben Davies ersetzen muss.