Crystal Meth heisst die neuste Leitdroge in Ostdeutschland und Oberbayern. Dort schlagen die Behörden Alarm. Im Nachbarland Schweiz scheint die Billigdroge keine Rolle zu spielen. Ein möglicher Grund: Viele Schweizer Drogenkonsumenten leisten sich besseren Stoff.
Peter Menzi von der Schweizerischen Koordinations- und Fachstelle Sucht, Infodrog, nennt die hohe Kaufkraft der Konsumenten als einen der Gründe, warum Crystal Meth – kurz Crystal – nicht Fuss fasst: «Viele Konsumenten haben genügend Geld für den Kauf von Drogen.»
Und Frank Zobel von Sucht Schweiz sagt: «Crystal und andere Formen von Methamphetamin gibt es in der Schweiz noch kaum, wogegen andere Drogen wie Kokain und Cannabis leicht zugänglich sind.»
Crystal Meth ist eine Billigdroge. Die Produktion ist billig und die Verteilwege sind kurz, da die Droge vor allem in Tschechien hergestellt wird. Dadurch entfällt auch der teure Schmuggel wie bei Kokain aus Südamerika oder Heroin aus Afghanistan, wie Zobel sagt.
Gut informierte Konsumenten
Dass Crystal Meth hierzulande keine Rolle spielt, hängt auch mit der gut ausgebauten Prävention zusammen. «Die Konsumenten kennen die langfristigen Folgen von Crystal Meth», sagt Menzi. Viele seien aber nur Freizeitkonsumenten und bevorzugten einen risikoarmen Konsum.
Deshalb lasse ein Schweizer Partygänger lieber die Finger von Crystal Meth. Und setze auf «bewährte» Substanzen wie Alkohol, Kokain oder Ecstasy.
Supermann wird süchtig
Crystal Meth ist der Strassenname für Methamphetamin. Das Aufputschmittel wurde während des Zweiten Weltkriegs unter dem Name Pervitin von den Nationalsozialisten an die deutschen Soldaten abgegeben, damit diese länger durchhalten.
«Man kann sich durch Crystal Meth wie Supermann fühlen», sagt Zobel. Wer aber abhängig wird, gerät rasch in eine Abwärtsspirale, denn um sich weiter super zu fühlen, braucht man dann mehrere Dosen pro Tag.
Crystal wird zum Lebensmittelpunkt. Essen, schlafen oder soziale Beziehungen werden unwichtig.
Sichtbarer Verfall
Der Süchtige verwahrlost körperlich und sozial. In den Medien kursieren Bilder von Crystal-Meth-Süchtigen aus den USA. Sie altern rasant, magern ab und leiden an schweren Hautschäden, Zahnfäule und Haarausfall, wie die Zeitschrift des Schweizer Zolls «Forum Z» schreibt.
«Die Schweizer Konsumenten wissen, dass der körperliche Verfall bei Crystal Meth sehr gut sichtbar ist», sagt Menzi. Freizeitkonsumenten müssten aber am Montag wieder zurück an Arbeitsplatz oder in die Schule. Crystal Meth steht laut Zobel auch im Verdacht, länger als andere Aufputschmittel zu wirken. Ein Partykonsument will am Montag aber normal wirken.
Menzi sagt, dass Crystal vermutlich auch bei den abhängigen Konsumenten keine grosse Rolle spielen werde. Dank der Schadensminderung und der Substitution – Methadon- und Heroinabgabe – spreche auch diese Klientel nicht auf Crystal Meth an. «Wir haben weder von den Behörden noch von Konsumentenseite Anzeichen dafür, dass Crystal bei uns angekommen ist», sagt Menzi.
Nachfolger für Amphetamin?
Eine mögliche Crystal-Meth-Kundschaft wäre laut Zobel die kleine Gruppe von Amphetamin-Konsumenten. In einigen europäischen Ländern habe Methamphetamin das Amphetamin schleichend abgelöst. Aber auch bei den Schweizer Amphetamin-Konsumenten scheint derzeit alles beim Alten zu bleiben.
Ob die Schweiz von Crystal Meth aber verschont bleibt, hängt von weiteren Faktoren ab. Damit eine Droge sich verbreite, komme es darauf an, ob es ein Interesse daran gebe und ob diese zugänglich sei, sagt Zobel.
Dass Letzteres nicht der Fall zu sein scheint, zeigt die Zollstatistik 2013. Diese führt das sichergestellte Methamphetamin noch nicht einmal in einer eigenen Rubrik sondern mit Amphetamin und Ecstasy zusammengefasst unter Designerdrogen auf. Gemäss «Forum Z» wurden im letzten Jahr 100 Gramm Crystal Meth sichergestellt.
Die Frage bleibt, ob sich Crystal Meth in Europa weiter verbreitet. Um dies zu beantworten, müsste man gemäss Zobel wissen, ob die Verkäufer von Crystal neue Märkte erschliessen wollen und wie gross die Meth-Produktion ist. Doch dies können selbst Experten nicht beantworten.