Die CVP hat am Samstag an ihrer Delegiertenversammlung in Tenero TI die Nein-Parole zur SVP-Familieninitiative beschlossen. Dies, obwohl sich das Parteipräsidium und die Bundeshausfraktion dafür ausgesprochen hatten.
Der Entscheid gegen die Initiative der SVP fiel mit 114 Nein-Stimmen gegenüber 87 Ja-Stimmen. Die Delegierten widersetzten sich damit der Haltung des Parteipräsidiums und der CVP-Bundeshausfraktion, die sich für eine Unterstützung der Initiative ausgesprochen hatten. Die Delegierten fassten die Parolen am Samstag nicht mit Handerheben, sondern schriftlich.
Der Preiserhöhung bei der Autobahnvignette stimmten die CVP-Delegierten mit 162 Ja- gegen 19 Nein-Stimmen bei 2 Enthaltungen zu. Die Vorlage kommt ebenfalls am 24. November zur Abstimmung. Zustimmung fand mit 169 Ja- gegenüber 6 Nein-Stimmen bei 2 Enthaltungen auch die Vorlage zur Finanzierung und zum Ausbau der Bahninfrastruktur (FABI). Über sie urteilt das Volk erst am 9. Februar 2014.
Die Initiative gegen die Masseneinwanderung, die ebenfalls erst im nächsten Jahr vor das Volk kommt, lehnt die CVP ab. Dies mit 147 Nein- gegenüber 23 Ja-Stimmen und 2 Enthaltungen. Die Initiative sei eine Gefahr für die Schweiz, sagte der Tessiner Nationalrat Marco Romano in seinem Referat zum Thema.
Familienform frei wählen
Bei der Debatte um die Familieninitiative kamen die verschiedenen Standpunkte innerhalb der CVP zum Tragen. Fraktionschef Urs Schwaller zählt zu den Befürwortern eines Eigenbetreuungsabzugs. Er wies daraufhin, dass bereits drei Kantone – Luzern, Wallis und Zug – ein solches Steuermodell kennen würden.
Die Familienform müsse frei gewählt werden können, sagte er. Und ergänzte: «Erziehungsarbeit darf einer beruflichen Tätigkeit nicht untergeordnet werden.» Die Unterstützung der Initiative wäre seiner Meinung nach ein klares Signal gewesen, dass die CVP ihrer Rolle als Familienpartei treu bleibe, sagte der Freiburger Ständerat.
Neue Steuerungerechtigkeit
Die Gegenargumente blieben nicht aus. «Die SVP-Initiative unterstützt nur die Reichen», sagte beispielsweise die Zürcher Nationalrätin Barbara Schmid-Federer. Gemäss Babette Sigg, Präsidentin der CVP Frauen, führt die Initiative zu einer neuen Steuerungerechtigkeit.
Dass es nicht Aufgabe der CVP sein könne, familienpolitische Fragen der SVP zu überlassen, war ein Argument der CVP Genf, dem viele Anwesenden beipflichteten. Die Zürcher Nationalrätin Kathy Riklin bezeichnete die Initiative auch rein ökonomisch als Fehler. Nur wer Kosten effektiv generiere, solle diese auch von der Steuer absetzen können.
Leuthard wirbt für teurere Vignette
Mehr Einigkeit herrschte bei den Verkehrsthemen. Die CVP-Bundesrätin Doris Leuthard warb in Tenero für den Ausbau des Strassen- und Bahnnetzes – und die damit verbundenen Finanzierungsprojekte. Sie betonte, dass eine funktionierende Infrastruktur die Grundlage für die starke Wirtschaft der Schweiz sei.
Ohne die teurere Autobahnvignette könnten zahlreiche Projekte für dringend notwendige Umfahrungsstrassen in den Regionen nicht realisiert werden. Die Bahninfrastruktur müsse den Bedürfnissen der steigenden Pendlerzahlen angepasst werden.
Der TCS präsentierte seine Gegenargumente zur Erhöhung des Vignettenpreises von 40 auf 100 Franken. Die heutigen Abgaben der Autofahrer würden nur zu dreissig Prozent in Strassenprojekte fliessen, hiess es. Es könnten genug Ressourcen für Projekte freigesetzt werden. Die Mehrheit der CVP-Delegierten teilte diese Haltung nicht.
Darbellay lobt Reform des Asylgesetzes
Parteipräsident Christophe Darbellay machte sich in seinem Eröffnungsreferat nicht nur für die verschiedenen Familieninitiativen der CVP stark.
Er lobte auch das neue Asylgesetz und positionierte seine Partei im Bereich der Ausländerpolitik. Die CVP setze auf Freizügigkeit mit der EU und gleichzeitig auf Kontrolle und Missbrauchsbekämpfung sowie mehr Sicherheit, sagte er.