CVP-Präsident Christophe Darbellay bringt nach dem Wahlsieg von SVP und FDP Bewegung in die Diskussionen um die Sitzverteilung im Bundesrat. Auf einmal bezweifelt er, dass die Mitte zwei Sitze für sich beanspruchen kann. Einen zweiten SVP-Sitz erachtet er als legitim.
Der Anspruch der SVP auf zwei Bundesratssitze ergebe sich aus dem Resultat der Wahlen, sagte Darbellay in einem Interview mit der Sonntagszeitung «Le Matin Dimanche». Auf die Frage, ob die CVP somit BDP-Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf nicht unterstützen werde, sagte er: Falls Widmer-Schlumpf sich der Wiederwahl stelle, werde die Fraktion am 21. und 22. November einen Entscheid darüber fällen.
Er stelle aber fest, «dass das Verhalten der BDP in den vergangenen Tagen nicht den Eindruck erweckte, dass die Partei nach Unterstützung sucht».
Vielmehr stellt Darbellay offen in Frage, ob die Mitte-Parteien mit ihrer heute losen Struktur zwei Bundesratssitze für sich beanspruchen könnten. Bisher fusste auf dieser Argumentation die Rechtfertigung des BDP-Sitzes neben jenem der CVP.
FDP-Sitz im Visier
Die Mitte müsse sich in den nächsten Jahren eine dauerhafte Struktur geben, damit sie den zweiten Sitz in der Regierung reklamieren könne, sagte Darbellay weiter. Gelingt dies, stelle «sich die Frage der Sitzverteilung im Bundesrat wieder neu». Das könne schon bei einer der nächsten Vakanzen der Fall sein. «Dann wäre die FDP im Bundesrat übervertreten.»
Von der BDP lässt sich Vizepräsident Lorenz Hess in mehreren Sonntagszeitungen zu den Gesprächen unter den Mitte-Parteien zitieren: Eine gemeinsame Fraktion sei vor der ersten Session kaum denkbar. Er bestätigte auch, dass Zusammenarbeitsgespräche unabhängig von Widmer-Schlumpfs Wiederwahl geführt würden. Widmer-Schlumpf äussert sich weiter nicht zu ihrer Zukunft.
Karrer für SVP-Doppelvertretung
Ebenfalls für zwei SVP-Sitze in der Regierung spricht sich Economiesuisse-Präsident Heinz Karrer aus. Eine Zusammensetzung der Regierung nach der arithmetischen Konkordanz ist aus seiner Sicht «zwingend notwendig». Das gewährleiste, dass «der Bundesrat gemeinsam nach Lösungen sucht».
Deshalb erwarte er von der SVP aber auch, «dass sie zur Konkordanz steht und sich entsprechend konstruktiv in die politischen Geschäfte einbringt».
Blochers rote Linien
Eine Verhaltensänderung in diese Richtung stellt SVP-Vizepräsident Christoph Blocher nach dem Wahlsieg in Aussicht. Die SVP sei bereit zur Regierungsbeteiligung, sagte er in einem Interview mit der «Schweiz am Sonntag». Eine SVP mit zwei Bundesratssitzen werde «sicher kompromissfähiger» und übernehme Gesamtverantwortung.
Doch Blocher macht auch klar: Die SVP wird nicht alle Kompromisse mittragen. «’Einbinden‘ – ein unglaubliches Wort – lassen wir uns sowieso nicht», sagte er. Für jede Partei gelte das gleiche: Regierungsmitglieder seien an Beschlüsse der Regierung gebunden, «nicht aber die Partei».
Unverhandelbar sind für Blocher der Widerstand gegen ein EU-Rahmenabkommen mit automatischer Rechtsübernahme oder ein EU-Beitritt sowie das Vorhaben der SVP, Schweizer Recht in fast jedem Fall über Völkerrecht stellen zu wollen. «Wir sind bereit Verantwortung zu tragen. Aber wer denkt, wir würden einknicken (…), nur damit wir in den Bundesrat dürfen, täuscht sich.»
Sicher ist für ihn auch, dass ein Bundesratskandidat der SVP linientreu sein muss: «Wir wollen nicht mehr, dass man Alibi-SVPler in den Bundesrat wählt, die dann das Gegenteil der Partei vertreten», sagte er. Er bestätigte, dass ein Bundesrat, der nicht offiziell nominiert wurde, aus der Partei ausgeschlossen würde.