Für die Mitte-Rechts-Parteien CVP und FDP stehen bei den zweiten Ständerats-Wahlgängen am meisten Sitze auf dem Spiel. Zwar kommt es zu so vielen Stichwahlen wie noch selten, doch wird kaum eine Partei mehr als einen oder zwei Sitze verlieren oder gewinnen.
Vor den zweiten Wahlgängen für die noch zu vergebenen 19 Sitze im November sind noch viele Fragen offen. Mit den Stimmen aus dem 1. Durchgang und den sich abzeichnenden Konstellationen lassen sich aber bereits die Chancen der Parteien und ihrer Kandidaten abschätzen.
Unter dem Strich dürfte es – sofern Überraschungen ausbleiben – auch nach den zweiten Wahlgängen nur zu wenigen Verschiebungen kommen. Die FDP droht in Solothurn zwar einen Sitz zu verlieren, hält aber wohl ihren Stand (12), weil sie in Graubünden ein zusätzliches Mandat gewann. Die CVP (14) könnte je einen Sitz gewinnen (SO) und verlieren (SG).
Sicher ist, dass der Sturm der SVP auf den Ständerat misslingt: Die SVP könnte sogar zwei Sitze verlieren – einen davon hat sie in Graubünden bereits verloren, weil sie gar nicht mehr antrat. Ein weiterer Verlust droht im Aargau. Sollte sich aber Parteipräsident Toni Brunner in St. Gallen durchsetzen, geht nur ein Mandat verloren. Sie hätte damit noch 6 Sitze.
Gut möglich ist, dass die Sitzverschiebung im Kanton Aargau als einzige ins Gewicht fällt: Dank Pascale Bruderers Überraschungserfolg könnte die SP unter dem Strich ein Mandat gewinnen und damit auch in der kleinen Kammer als einzige der grossen Parteien um einen auf 9 zulegen.
St. Galler CVP-Sitz in Gefahr
Um die meisten Sitze muss die CVP bangen. Für die Hälfte ihrer 14 bisherigen Sitze muss sie in die Verlängerung. Besonders unter Druck steht sie dabei in St. Gallen, nachdem der Bisherige Eugen David sich nach seiner Nichtwiederwahl zurückgezogen hat.
Die CVP hat deshalb Michael Hüppi neu nominiert. Der amtierende Vizepräsident des Fussball-Clubs St. Gallen ist ein politischer Quereinsteiger. Er muss sich am 27. November gegen SVP-Chef Toni Brunner, der im ersten Durchgang am zweitmeisten Stimmen erhielt, und SGB-Präsident Paul Rechsteiner (SP) durchsetzen.
Während die CVP in St. Gallen ein Mandat verlieren könnte, liegt ein Sitzgewinn in Solothurn drin, wo sich CVP-Nationalrat Pirmin Bischof eine gute Ausgangslage für den zweiten Wahlgang schuf: Er distanzierte den FDP-Kandidaten Kurt Fluri deutlich.
Um den Verlust des FDP-Mandats zu verhindern, das Rolf Büttiker in den vergangenen 20 Jahren hielt, stand bei der FDP ein sogar ein Kandidatentausch zur Diskussion. Der Parteivorstand beantragt nun aber, Kurt Fluri erneut aufzustellen. Der Entscheid fällt am Dienstag. Entscheidend wird auch sein, wen die SP unterstützt.
Auffallend ist, dass bei der CVP mehrere amtierende Ständeräte die Wiederwahl zwar nicht im ersten Anlauf schafften, sich jedoch für den zweiten Durchgang gute Chancen ausrechnen können. Das gilt für das Wallis sowie für Luzern, Tessin und Schwyz. Im Thurgau geht Brigitte Häberli als Favoritin ins Rennen. Sie muss den Sitz eines abtretenden CVP-Ständerats verteidigen.
Minder gegen FDP
Insgesamt sechs Sitze sind bei der FDP noch nicht im Trockenen. In Gefahr ist vorab jener in Schaffhausen: Der umtriebige Parteilose Thomas Minder, „Vater“ der Abzockerinitiative, erhielt im ersten Durchgang mehr Stimmen als FDP-Kandidat Christian Heydecker. Dieser und SP-Kandidat Freivogel treten in der zweiten Runde erneut an.
Auch in Solothurn, Tessin und Luzern muss die FDP einen Sitz eines abtretenden Ständerats in einer Stichwahl verteidigen. Während die Chancen in Luzern gut sind, muss sie im Tessin noch zittern und könnte unter Umständen gar noch einen Sitz an den Lega-/SVP- oder SP-Kandidaten verlieren. Felix Gutzwiller dürfte dagegen die Wiederwahl in Zürich in der Stichwahl schaffen.
Einen Zweikampf liefern sich FDP und SVP im Aargau: Nachdem Pascale Bruderer überraschend schon im ersten Wahlgang einen Sitz für die SP eroberte, dürften Christine Egerszegi und Ulrich Giezendanner um das verbliebene Mandat kämpfen.
Die Bisherige Egerszegi dürfte gegenüber Giezendanner zu favorisieren sein, der den Sitz des nicht mehr angetretenen Maximilian Reimann beerben will. Der SVP-Kantonalvorstand entscheidet am Dienstagabend über das weitere Vorgehen.
BDP und GLP mit guten Chancen
Noch nicht verteidigt hat die SVP auch ihren Berner Sitz, den Adrian Amstutz erst im Frühjahr von der SP zurückerobert hat. Für den zweiten Wahlgang kann sich der SVP-Vizepräsident – ebenso wie der andere bisherige Berner Ständerat Werner Luginbühl (BDP) – aber gute Chancen ausrechnen. Der einzige verbliebene Kandidat von Links-Grün, Hans Stöckli (SP), hat nur Aussenseiterchancen.
Die SP hat ihre bisherigen Sitze aber mit Ausnahme des Waadtlandes verteidigt und hat auch dort gute Chancen auf eine Wahl im zweiten Durchgang. Aussichtsreich ist auch die Ausgangslage für den Amtierenden der Grünen in der Waadt sowie für die zwei bisherigen Ständeräte der Grünliberalen in Zürich und Uri.