«Cyclope» in Basel: Ein waghalsiges Traum-Unternehmen weckt das kindliche Staunen

«Cyclope» feiert unter einem Regenfilm Premiere in Basel. Die Anarchie der Träume wird unter dem Zirkus-Himmelszelt im Klybeck ausgerufen. Der Clown muss seinen Wohnwagen in der Nähe des Schrottplatzes verlassen. Er kritzelt «Sale» auf eine Affiche. Schweren Herzens packt er die leichten Koffer, und ruht noch einmal kurz aus. Da erwacht sein Schrottplatz zu neuem […]

Waghalsiges Traum-Unternehmen: Cyclope im Klybeck

«Cyclope» feiert unter einem Regenfilm Premiere in Basel. Die Anarchie der Träume wird unter dem Zirkus-Himmelszelt im Klybeck ausgerufen.

Der Clown muss seinen Wohnwagen in der Nähe des Schrottplatzes verlassen. Er kritzelt «Sale» auf eine Affiche. Schweren Herzens packt er die leichten Koffer, und ruht noch einmal kurz aus. Da erwacht sein Schrottplatz zu neuem Leben. Die Schrottteile verdrehen die Affiche zu einem «Stay». Die Muse erwacht.  

Im waghalsigen Traumtanz erweckt diese Muse die Überreste der Zivilisation um den Clown herum. Die Metallräder wackeln. Die Kranhälse drehen. Die Stahlkugeln poltern. Es ist, als hätte der Guerilla Jean Tinguely noch einmal seine Spiellust in die Überreste der Zivilisation gehaucht. Die Plastik wird lebendig und spuckt eine Niki de Saint Phalle aus.

Das Artisten-Kollektiv erweckt das Künstler-Kollektiv zu neuem Leben

Nur wenige hundert Meter vom Wagenplatz der Fahrenden entfernt, mutet die Geschichte von «Cyclope» wie ein verträumter Kommentar einer Gegenwelt an: Jean Tinguely und Niki de Saint Phalle riefen im Wald der Armen von Milly-La-Forêt ab 1971 zu einer Kunst-Verschwörung auf. Zwanzig Jahre lang trafen sich damals dort die Kunst-Guerilleros. Dem Ruf des Paares folgten unter anderem Bernhard Luginbühl, Eva Aeppli, Daniel Spoerri, Larry Rivers, César und Jesủs Rafael Soto.

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Der Original-Aufbau des Cyclope bei Paris.

Mit circensischer Lust trugen all die Künstler damals ihren Teil an dem versteckten Monument bei, das dort im Süden von Paris entstand. Tinguelys Assistenten Seppi Imhof (er war auch an der Première in Basel anwesend) und Rico Weber schweissten das Monstrum (wie es erst heissen sollte) zusammen – eine monumentale Plastik, die als «Cyclope» über zwanzig Jahre später und nach dem Tod von Jeannot eingeweiht werden sollte: von Präsident François Mitterrand.

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Und der Original-Cyclope von vorne bei Paris.

Endlich in Basel «Cyclope»

So wie der verspiegelte Einäugige nun wie ein schillernder Irrtum der Zivilisation im Wald bei Paris steht, so steht sein circensisches Double ab sofort in Hafennähe in Basel: Philipp Boë und Markus Gfeller haben zu einer Artisten-Verschwörung aufgerufen. Eine Truppe hochkarätiger Artisten ist ihnen gefolgt, um die Liebesgeschichte eines Paares neu aufleben zu lassen.

Allein für die Musik muss man sich auf den Weg Richtung Dreiländereck machen. Mit den Stimmen von Bruno Amstad und Angie Donkin («Dust Red Skies», USA) bringt die Band von Markus Gfeller die artistische Mechanik des Abends souverän in Fahrt: mal subtil, mal wild, mal poetisch verspielt fügen die Musiker die Bilder der Liebesgeschichte in die Klang- und Raumkompositionen. Sie werden mit Benedikt Utzingers Schrottperkussion sogar zu einem Teil des «Heavy Metals».

Waghalsige Artistik unter dem Himmelszelt

Die grossen Waghalsigen an diesem Abend aber sind die Artisten um den Clown Linaz. Als Farbtupfer erwachen sie auf dem Tinguely-Schrottplatz. Vor unseren Augen entsteht, Stück um Stück, das grosse Auge des Kyklopen, der menschenfressend den griechischen Helden einst zu einer grossen List zwang. Das Gelände verwandelt sich unter ihren in eine Traumfabrik mit Trampolin, Schleuderbrett und Seiltanz.

Mit seinem grossen Auge blickt der Riese auf uns hinunter und auf den Überlebenskampf der Liebe, den der Clown schliesslich im Schlussfuriose führt: Über ihm und uns ist endlich nur noch das Himmelszelt – ein circensischer Vielmaster.  

Und die Umsetzung der Aufführung, die nun in Basel zu sehen ist.

Und plötzlich kehrt die Realität ein

Erst der nüchterne Auftritt des Produzenten, der die Vorstellung, mitten im einsetzenden Nieselregen – bei der Premiere – kurz unterbrach, führte vor Augen, wie waghalsig das Traum-Unternehmen ist. Die Bühne musste getrocknet werden, um die Lebensgefahr für die Artisten zu mindern.

Ein wenig erinnert das daran, was das heisst, wenn Kunst lebendig werden will, aber auch, wie viel Lebensübermut in den Werken von Tinguely steckt: Unter dem Einsatz eines heiteren Guerilla-Lebens entstanden, machen sie uns noch heute ein wenig zu Kindern.

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Die Vorstellung von «Cyclope» läuft bis September in Basel am Klybeckquai. Der Spielplan in der Übersicht. Eindrücke in bewegten Bildern und Stimmen zur Aufführung von «Art-TV»:

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