Der Dalai Lama hat die EU zu «konstruktiver Kritik» an China in der Tibet-Frage aufgefordert. Zwar gebe es in China immer noch Verteidiger einer «harten Linie» gegenüber Tibet, doch gebe es auch Hoffnung.
Das sagte er am Donnerstag im aussenpolitischen Ausschuss des EU-Parlaments in Strassburg. Die Meinung der EU habe durchaus eine Auswirkung in China und könne den Tibetern helfen, betonte das geistliche Oberhaupt der Tibeter. In den 1960er und 1970er Jahren sei es der politischen Führung in Peking egal gewesen, was im Ausland gedacht wurde. Dies sei heute nicht mehr der Fall.
Der 81-Jährige bekräftigte, er wolle keine Abtrennung des von China kontrollierten Tibet. Dieser Vorwurf Pekings sei unbegründet. Im übrigen habe er keine politische Rolle mehr. «Ich bin seit 2011 in Rente.»
Für «vernünftige» Lösung
An die Ausschussmitglieder appellierte der Dalai Lama, mit der chinesischen Führung über Tibet zu sprechen, wann immer sie dazu Gelegenheit hätten. Sie sollten auch nach Tibet reisen. Dies sei für das tibetische Volk ein wertvolles Signal. «Die Chinesen müssen endlich verstehen, dass dieses Problem auf vernünftige Weise geregelt werden muss, denn es wird nicht einfach verschwinden.»
Der deutsche Ausschussvorsitzende Elmar Brok (CDU) sagte, es habe Druck gegeben, damit der Ausschuss die gemeinsame Sitzung annulliere. «Das Europaparlament kann aber treffen, wen es will.»
Die EU-Volksvertretung fordere keine Abtrennung Tibets von China, betonte Brok. Das Parlament fordere aber Autonomie für das tibetische Volk, damit dieses an seinen Werten festhalten und seine Religion ausüben könne.
Im Anschluss an den Besuch im EU-Parlament traf der Dalai Lama, der Friedensnobelpreisträger des Jahres 1989, mit dem Generalsekretär des Europarats, Thorbjörn Jagland, zusammen. Auch vor den Vertretern des Europarats und Botschaftern der 47 Mitgliedstaaten der paneuropäischen Organisation, sagte er danach: «Ich appelliere an Sie, damit die Tibet-Frage auf der Tagesordnung bleibt.» Sechs Millionen Tibeter lebten «in ständiger Angst».
China protestiert regelmässig, wenn Politiker mit dem Dalai Lama sprechen. Erst im Juni hatte Peking mit scharfen Worten auf ein Treffen des US-Präsidenten Barack Obama mit dem Dalai Lama reagiert.
Der Dalai Lama lebt seit einem gescheiterten Volksaufstand in Tibet 1959 im indischen Exil. China kontrolliert Tibet seit den 50er Jahren. Die Tibeter klagen über religiöse Unterdrückung und angesichts des zunehmenden Zuzugs von Han-Chinesen, dass sie gesellschaftlich an den Rand gedrängt werden.
Pessimist Dalai Lama
Der Dalai Lama blickt mit Pessimismus auf das 21. Jahrhundert. «Ich bin jetzt 81 Jahre alt, ich erwarte keine glücklichere Menschheit mehr in meiner Lebenszeit», sagte er.
Er prangerte ausserdem das bestehende Bildungssystem an, das seiner Ansicht nach eine materialistische Lebensweise fördere. Er befürchtete, dass dies das 21. Jahrhundert zu einem Jahrhundert der Gewalt mache. Er forderte deshalb, eine bessere Vermittlung moralischer Standards.