Damon Albarn kündigt mit seinem neuen Song «Everyday Robot» sein erstes Soloalbum an. Ein guter Grund, auf die ereignisreichen letzten 20 Jahre des britischen Sängers zurückzuschauen – von Blur über Gorillaz bis The Good, The Bad & The Queen.
1. Damon Albarn: «Everyday Robots», 2014
Es hat ein wenig gedauert, bis er sein erstes Soloalbum ankündigte: Damon Albarn, 45, wird in diesem Frühjahr «Everyday Robots» veröffentlichen. Eine schöne Überraschung, hat der vielseitigste Kopf der Britpop-Ära seine Karriere doch stets auf interessanten Kollaborationen aufgebaut – und damit den klassischen Weg von Frontsängern, sich solo zu versuchen, erst nach zahlreichen Umwegen eingeschlagen. Ganz alleine stehe er aber nur auf dem Cover da, hat Albarn dem «Rolling Stone» verraten: «Ein Soloalbum aufzunehmen kann zu einem Desaster führen, also dachte ich mir, dass ich zumindest die Verantwortung der Produktion abgeben sollte». Richard Russell hat sich demnach um die rhythmische und klangliche Veredelung gekümmert, «die Geschichten, die Stimme und die Songs sind aber von mir», so Albarn. Einen ersten Vorgeschmack liefert die Vorabsingle «Everyday Robots», worin er auf ein Dilemma unserer Zeit – Natürlichkeit vs. Technologie – anspielt, karg untermalt von skurrilen Streichersamples, Beats und Klavierakkorden.
2. Blur: «Girls and Boys», 1994
So haben wir ihn kennengelernt: jung, schnügelig, schnöselig, cool. 1994 veröffentlichten Blur die Single «Girls and Boys» und trugen damit ihren ersten Knaller – zack – zur neuen Britpop-Welle bei. Gitarrist Graham Coxon erklärte sich den Erfolg des Songs rückblickend wie folgt: «Der Song ist recht einfach, hat einen Mitsing-Refrain und diese seltsamen sexuellen Konnotationen: Ein Disco Beat mit einem Text über Ferien und Sex. Ein Scherz.» Zu dem ganz England mitjohlte. Die Pet Shop Boys waren so angetan, dass sie einen Remix anfertigten. Wir aber bevorzugen bis heute das Original, das mit seinen punktgenauen 120 bpm an den New Romantic erinnerte.
3. Blur: «Song 2», 1997
Mit «Girls and Boys» haben sich Blur in unsere Gehörgänge getänzelt, mit «Song 2» in unsere Mägen gerammt. Was war das für eine krachende Offenbarung, als «Song 2» erschien. Viele glauben – vielleicht zurecht – dass Blur mit diesem Track dem US-Grunge eins auswischen wollten. Das ist ihnen eindrücklich gelungen: Der zweite Track auf der Blur-CD war genau zwei Minuten lang, wurde zweite Singleauskopplung – und landete auf Platz 2 in den britischen Charts. Und wurde zu ihrem bekanntesten Song – nicht zuletzt, weil sie ihn schamlos vermarkten liessen: «Song 2» warb für Videogames und Automodelle. Woo-hoo – der Rubel rollte!
4. Gorillaz: «Clint Eastwood», 2001
1998 war es Albarn nach Abwechslung zumute. Zusammen mit dem Comiczeichner Jamie Hewlett langweilte er sich eines Abends in seiner Londoner Wohnung über die Clips, die ihnen MTV vorsetzte. So kamen sie auf die Idee, den Einheitsbrei aufzumischen und eine virtuelle Band zu gründen: Gorillaz. Hewlett zeichnete eine vierköpfige Band, man erfand für jeden Musiker (und die Musikerin) eine fiktive Biografie, produzierte Songs und Clips – und begeisterte damit die Musikwelt. «The Future Is Coming On» singt Albarn treffend, untermalt von einer nachdenklichen Melodica (die in den Nullerjahren auch andere britische Bands wie Hard-Fi für sich entdeckten) und abgelöst von Raps. Eine bestechende Mischung, ein fantastisches Konzept. Die musikalischen Anleihen an die Spaghetti-Western von Leone/Morricone inspirierten das Duo auch zum Songtitel: Clint Eastwood.
5. Gorillaz: «Feel Good Inc.», 2005
Keinem anderen Britpop-Star der 90er-Jahre gelang der Sprung ins neue Jahrtausend so elegant und zukunftsgerichtet wie Albarn (Supergrass bildeten ebenfalls eine wohlklingende Ausnahme, allerdings vermochten sie ihre Fangemeinde nicht mehr zu vergrössern). Wer wagte es, Blur nachzutrauern, angehörs des brillanten Konzepts, das Albarn mit Gorillaz verfolgte, der coolsten virtuellen Band der Welt? Eskapismus und Isolation machten sie im Clip zu «Feel Good Inc.» wunderbar zum Thema, der Vorabsingle ihres zweiten Albums «Demon Days». Und luden De La Soul für Gastreime ein, verknüpften so britisches Lamento mit alternativem Hip Hop und abgewandelten Drum’n’Bass-Elementen. Herrlich.
6. The Good, The Bad & The Queen: «Green Fields», 2007
Sich zu vernetzen, gehört zu Damon Albarns grossen Qualitäten: 2006 plante er zunächst mit dem Produzenten Danger Mouse ein Soloalbum aufzunehmen, am Ende aber überwog der Reiz, mit anderen Musikern zusammen eine namenloses Starensemble zusammenzustellen. Albarn am Gesang, Paul Simonon von The Clash am Bass, Simon Tong (The Verve) an der Gitarre und der nigerianische Afrobeat-Experte Tony Allen am Schlagzeug. Unter dem Albumtitel «The Good, The Bad & The Queen» schrieb Albarn einen Songzyklus über sein London, mystisch, britisch.
Unser Müsterchen: «Green Fields», das Vor zehn Jahren ging er mit Marianne Faithfull aus, schrieb danach ein Lied, das er ihr als Demo überreichte und Faithfull für ihr Album «Before the Poison» aufnahm.
7. Damon Albarn: «Monkey – Journey To The West», 2007
2007 wollte Albarn seiner Experimentierfreude die Krönung aufsetzen: eine Oper! «Monkey – Journey To The West» wurde 2007 am Manchester International Festival uraufgeführt. Die Mischung aus Peking-Oper und modernem Zirkus, die auf einer klassischen chinesischen Erzählung basierte, polarisierte allerdings sehr. Allein innerhalb der Kulturredaktion des «Guardians» war man gespalten – wie diese Kritik und diese hier zeigen. Er liess sich jedoch nicht beeirren und schob 2012 eine zweite Oper nach, die weitaus begeisterter aufgenommen wurde. Und steuerte daneben wieder sicherere Häfen an: Nach «Monkey» widmete er sich wieder den Gorillaz – und zuletzt liess er sich sogar für ein Blur-Revival begeistern. Wer die Britpop-Band 2013 live erlebt hat – unsereiner etwa am Berlin Festival – rieb sich ungläubig die Augen: Es war schlicht mitreissend, wie konzentriert und doch befreit sie rumalbarnten. In alter Frische, zwischen Pop und Psychedelik. Ein gutes Omen für sein Soloalbum.