Vorsicht beim «Zeichen-Setzen»! Und keine unnötigen Gesetze, bitte! So lautet die Botschaft des neuen Grossratspräsidenten Christian Egeler (FDP). Hier seine Antrittsrede vom Mittwoch.
Vorsicht beim «Zeichen-Setzen»! Und keine unnötigen Gesetze, bitte! So lautet die Botschaft des neuen Grossratspräsidenten Christian Egeler (FDP). Hier seine Antrittsrede vom Mittwoch.
«Werter Herr Regierungspräsident, werte Frau Regierungsrätin, werte Herren Regierungsräte, sehr geehrte Frau Statthalterin, liebe Kolleginnen und Kollegen, geschätzte Damen und Herren» – hier die ganze Antrittsrede des neuen Basler Grossratspräsidenten Christian Egeler (FDP) im Wortlaut.
Ich bin nun seit fast zehn Jahren Mitglied dieses Rates und habe an rund 400 Halbtagessitzungen teilgenommen. Ich habe unzählige Debatten mitverfolgen und aktiv mitgestalten können. Ich habe über einige Budgets, über zahlreiche Ratschläge und Berichte der Regierung sowie über sehr, sehr viele persönliche Vorstösse debattiert und abgestimmt.
Dabei war ich natürlich oft mit unseren Entscheidungen nicht einverstanden und ärgerte mich teilweise gar mehr als man äusserlich wahrnehmen konnte. Nach zehn Jahren sieht man den Ratsbetrieb aber auch ein wenig gelassener. Bei einem Satz allerdings springe ich aber immer noch hoch – zumindest innerlich: Wenn jemand etwas damit begründet, dass wir ein «Zeichen setzen» müssten. Mir sträuben sich jeweils die Nackenhaare.
Als Legislative verabschieden wir Gesetze. Wir machen dies immer dort, wo wir das Gefühl haben, dass das Zusammenleben ohne diese Gesetze in eine falsche Richtung geht. Gesetze haben immer Folgen auf unser Leben: Folgen, die wir beabsichtigen und solche, die nicht dem ursprünglichen Gedanken entsprechen.
Das Baumschutzgesetz hat zum Beispiel tatsächlich dazu geführt, dass der Bestand an alten Bäumen erhalten blieb. Allerdings hätte der Bestand deutlich zunehmen müssen. Nun aber werden Bäume vielerorts kurz vor Erreichen des im Gesetz mit einer genauen Zentimeteranzahl versehenen Limits vorsorglich gefällt und meist mit einer Neuanpflanzung ersetzt. Ich weiss als ehemaliges UVEK-Mitglied, dass dies nicht im Sinne der Gesetzgeber ist.
Die Einwanderungsinitiative – «auch so ein Beispiel»
Gesetze ziehen Grenzen zwischen richtig und falsch, damit sie praktikabel sind. Aber in der Regel existieren diese Grenzen im eigentlichen Leben nicht. 1:12, 20‘000, 0 sind solche letztlich beliebigen Grenzen, die wir in den letzten Wochen diskutiert haben. Wenn wir Zeichen bei der Gesetzgebung setzen wollen, begeben wir uns in die Gefahr, dass wir die unbeabsichtigten Folgen ignorieren. Verstehen Sie mich nicht falsch, Zeichen setzen kann durchaus richtig sein, aber Verfassungsbestimmungen, Gesetze und Vorschriften sind in der Regel der falsche Weg dazu – und auch Initiativen.
Am Wochenende haben wir ein Beispiel erlebt. Ich habe einige Male in den Diskussionen gehört, dass nun halt mal ein Zeichen notwendig sei. Nun ist es gesetzt, nicht nur mit 49.7 Prozent, sondern mit 50.3 Prozent; obwohl oder wahrscheinlich gerade weil wir wirtschaftlich so erfolgreich sind. Die Bundespolitik muss nun die heikle Mission erfüllen, eine unseren Wohlstand nicht beschneidende Lösung zu finden, welche mit weniger Zustrom von Arbeitskräften funktioniert.
Ich persönlich befürchte administrativen Mehraufwand mit wenig Wirkung, wenn wir der Wirtschaft nicht unnötig Steine in den Weg legen wollen. Oder wir sind bereit, dass wir uns als Volkswirtschaft fokussieren und definieren, welche Wirtschaftszweige wir in Zukunft stärker forcieren wollen und welche wir bremsen müssen. Diese Definition wird bestimmt nicht einfach werden. Gerade als Region Basel müssen wir uns engagiert dafür einsetzen, dass unsere wertschöpfungsreichen Arbeitsplätze in der Region Grosser Rat des Kantons Basel-Stadt erhalten bleiben.
Ich glaube, jedem von uns ist klar, dass ein Unternehmen im internationalen Markt sich bei aufgebrauchten Kontingenten gut überlegt, ob eine Stelle nicht an einem anderen Standort einfacher besetzt werden kann. Ja, ganz grundsätzlich sollte man es mit dem Zeichen-Setzen nicht übertreiben.
Dank an den Grossen Rat
Als Verkehrsingenieur weiss ich wovon ich spreche: Mit Verkehrsschildern sollte man haushälterisch umgehen. Sind zu viele da, werden sie immer weniger beachtet. Missachtungen führen wiederum zu einem vergifteten Klima auf den Strassen. Sie sollten auf der Strasse keine Stangen mit mehr als zwei Schildern finden. Falls doch, freut sich Herr Wessels schon über Ihre Mitteilung.
Mit meiner Wahl vor vier Wochen setzten sie ebenfalls ein Zeichen. Ein Zeichen in diesem Saal, das mich für einmal sehr gefreut hat. Ich möchte mich bei Ihnen allen, wirklich allen von Ihnen für die ehrenvolle Wahl zum Grossratspräsidenten bedanken. Die Wahl ohne Gegenstimme ist für mich nicht nur eine Ehre, sondern auch die Pflicht, meine Aufgabe zu Ihrer vollsten Befriedigung zu versehen. Das Wahlergebnis sehe ich als Zeichen, dass man hier trotz grosser sachpolitischer Differenzen die Freude am Gespräch und die Suche nach gemeinsamen Lösungen schätzt.
Eine ganz besondere Sitzordnung
Diesen Auftrag dürfen wir hier vorne sitzend jeweils immer wieder lesen: «salus publica suprema lex» – übersetzt: «Das Wohl des Volkes ist das oberste Gesetz».
Wie wir im Januar von meinem Vorgänger gelernt haben, haben dies ja eigentlich alle im Sinn; nur habe alle eine leicht andere Vorstellung davon was denn auch wirklich gut ist. Gerade deswegen sind die Auseinandersetzung mit dem Argument des anderen, das Zuhören und die gemeinsame Diskussion so besonders wertvoll und macht für mich die Arbeit als Politiker aus. Viele Besucher auf der Tribüne sind erstaunt, wie wenig wir uns hier scheinbar zuhören. Vielleicht ist das hier aber zu einem gewissen Grad auch so, gerade weil wir eben eine so gute Diskussionskultur haben und diese pflegen.
Unsere für andere Parlamentarier unmögliche Sitzordnung – im Grossen Rat sitzt man nach Wahlkreis und Wahlstärke statt nach Fraktionen – lässt zwar die Fraktionschefs verzweifeln, sitzen doch alle Parteimitglieder verteilt im ganzen Saal. Als ich begonnen habe auf Platz 54, sass neben mir der Präsident des Hauseigentümerverbandes und vor mir die Geschäftsleiterin des Mieterverbands. Und auch wenn ich nun als Leiter des Grossen Rats ähnliches Verhalten wahrscheinlich nicht so schätzen werde – die beiden haben neben der Debatte bilateral doch so einiges diskutiert.
Intensivere Diskussionen werden aber normalerweise im Vorzimmer oder im «Grossrats-Käffeli» geführt. Miteinander reden ist der Schlüssel für ein erfolgreiches Zusammenleben. Wenn sie nicht im Saal sind, gehe ich also guten Glaubens davon aus, dass sie im Vorzimmer zusammen an der besseren Welt basteln. Bei Abstimmungen wird die Statthalterin weiterhin ein Zeichen geben, also klingeln, damit sie keine Abstimmungen verpassen und ich bin sicher, dass sie diesen Job besser macht als ihr Vorgänger.
Die Frage nach den Grenzen
So sehr ich Zeichen setzen hier im Parlament als die falsche Strategie erachte, so sehr begrüsse ich es, wenn sie es ausserhalb des gesetzgeberischen Rahmens tun. Lassen Sie mich heute damit beginnen. Nach meinem Schweigejahr als Statthalter darf ich mich nun ein weiteres Jahr nicht so klar ausdrücken wie ich es manchmal möchte. Meine Zeichen sollen also keineswegs klare Meinungsbekundungen sein, sie sollen aber zum Nachdenken anregen. Ich denke so wird keine ungeschriebene Regel verletzt und keine Grenze überschritten.
Grenzen bestehen vorderhand im Kopf. Viele stellen sich heute auf den Standpunkt, dass etwas schon immer schon so gewesen sei und deshalb halt einfach so ist. Ich finde hingegen man darf, ja nein man muss, altbewährtes immer wieder hinterfragen. Selbst wenn ein Zustand gut ist, darf man nie aufgeben, ihn vielleicht noch zu verbessern. Viele vergessen auch, dass sich die Welt bewegt und dauernd ändert, ob man will oder nicht, ob man das gut findet oder nicht. Zu hoffen oder gar zu versprechen, im Stillstand bleibt alles Gute erhalten, ist schlicht ignorant.
Wir müssen Grosser Rat des Kantons Basel-Stadt auch den Mut haben, Neues zu versuchen und vielleicht im Moment auch zusätzliche Ressourcen aufbringen, um in Zukunft eine noch bessere Ernte einfahren zu können. Das ist eines der Erfolgsrezepte der Schweiz.
Eine der Fragen, die uns dieses Jahr begleiten wird, ist die Frage, ob unsere politischen Grenzen noch zeitgemäss sind. Viele haben sich bei mir für die Einladung für den heutigen Abend bedankt. Den wenigsten ist aber aufgefallen, dass ich heute Abend nicht der «Citoyen Principal» am Ort des Festes sein werde. Diese Ehre wird einer Baselbieterin gehören: der Landratspräsidentin.
Ich denke die wenigsten überlegen sich auf welcher Seite der Kantonsgrenze sie ihre Freizeitaktivitäten ausüben. Wenig werden nach dem Umziehen im vom Sportamt Basel-Stadt betriebenen Gartenbad Bachgraben auf dem Weg zum Schwimmbad bewusst die Kantonsgrenze überqueren; viele wundern sich, dass im Restaurant Zic-Zac die rotweisse Polizei kommt, wenn es zu laut ist, obwohl man unmittelbar daneben mit schwarzweissen Polizisten das Velofahren im Verkehrsgarten gelernt hat.
Das Leben macht an der Kantonsgrenze nicht halt. Gerade deswegen fiel meine Wahl auf das Dreispitzareal. Ein Symbol für meine Themen. Ein Ort im Wandel, mit einer positiven Vision der Zukunft, ein Verkehrsknotenpunkt, ein Ort für Gewerbe, Wohnen, Ausbildung und Freizeit. Ein Ort, den wir nur gemeinsam entwickeln und realisieren können. Ich habe festgestellt, dass dies deutlich einfacher ist, wenn man miteinander spricht, ja sich überhaupt kennt.
Deswegen werde ich mich auch als Präsident des Parlaments des Kantons Basel-Stadt einige Male über die Grenzen wagen. Nach meinen ersten Neujahrsapéros in den deutschen und französischen Nachbargemeinden durfte ich just an meinem ersten Amtstag die Delegiertenversammlung des Chorverbandes beider Basel in Lampenberg besuchen, sozusagen meinen Antrittsbesuch im Baselbiet machen. Ich wurde sehr herzlich empfangen. Und ich wurde nachdenklich, als man mir sagte, aus Basel sei noch nie jemand gekommen.
Ein Banntag jetzt auch in Basel
Hoffnungsvoll stimmte mich die Anekdote, dass der Zusammenschluss der beiden Kantonalverbände in beiden Teilen sehr bekämpft wurde, bis sie zum ersten Mal zusammen an einem Tisch sassen, miteinander diskutierten und überlegten wie man die Zusammenlegung eventuell doch vollziehen könnte.
Ohne die Erwartung, dass dies heute Abend auch passiert, freue ich mich doch sehr, dass ein Drittel des Landrats meine Einladung in der Dreispitzhalle angenommen hat, um uns Basler Besucher in Münchenstein zu begrüssen.
Ich wäre stolz, wenn durch diese Gespräche und Bekanntschaften wichtige Projekte für unsere Region schneller vorwärtskommen würden; ich denke dabei vor allem auch an die anstehenden Verkehrsprojekte wie den Margarethenstich, das Herzstück oder die Lösung der Verkehrsprobleme auf der A2. Ein Ausbau der S-Bahn ohne Herzstück ist in der Region Basel beispielsweise nur sehr begrenzt möglich. Ein Ausbau zu einer S-Bahn, die Ihren Namen auch verdient, ist aus gesamtwirtschaftlicher Sicht eine Investition, die sich schnell zurückzahlt.
Wenn wir aufgrund von unklaren administrativen Zuständigkeiten, sehr lokalen Nutzen-Kosten- Überlegungen oder wegen bestehenden Staatsverträgen solche Projekte gefährden, bedanken sich andere Regionen in der Schweiz für die frei werdenden Bundesgelder.
Die politische Grenze auf den Karten darf unsere grenzüberschreitende Realität im Leben nicht behindern. Diese Grenze ist allerdings nicht nur auf den Karten sichtbar. Wenn man genau hinschaut, sieht man sie auch in der Realität. Diese Zeichen hinterliess für einmal kein Politiker, sondern ein Vermesser.
Mein nächstes Zeichen ist deswegen nochmals etwas Geselliges. Ich lade Sie und alle die Lust haben ein, mit mir nicht Zeichen zu setzen, sondern mit mir Zeichen zu kontrollieren.
Am 24. Mai werde ich die Tradition eines Banntages auch in Basel wieder aufleben lassen, um die zum Teil sehr unsichtbare Grenze mitten durch unseren Lebensraum zu begehen. Es würde mich freuen, wenn mich einige von Ihnen begleiten.
Ihre Begleitung und Mitwirkung brauche ich aber vor allem hier und heute. Denn ich habe in den letzten Tagen nicht nur Zeichen vorbereitet. Also möchte ich nun das zweite Jahr der 42. Legislatur eröffnen und mit der ordentlichen Sitzung beginnen.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.