Dantes Traumreise mit der Seleção

Bayern Münchens Dante ist mit weniger Talent gesegnet als viele brasilianischen Teamkollegen. Dass er es in die Seleção geschafft hat, freut ihn riesig. An seiner Ersatzrolle hat er aber zu beissen.

Dantes Künste waren bislang nur im Training gefragt (Bild: SI)

Bayern Münchens Dante ist mit weniger Talent gesegnet als viele brasilianischen Teamkollegen. Dass er es in die Seleção geschafft hat, freut ihn riesig. An seiner Ersatzrolle hat er aber zu beissen.

Das ärmellose Leibchen für die Ersatzspieler konnte Dante bei der Heim-WM bisher nicht abstreifen. Der brasilianische Innenverteidiger trägt es über dem Trikot beim Trainingsmatch und beim Aufwärmen in den Stadien. Vor dem Halbfinal gegen Kolumbien stand der 30-Jährige bei der Heim-WM noch keine Minute für die Seleção im Einsatz. «Das ist nicht einfach, weil ich beim FC Bayern immer spiele. Aber trotzdem bleibe ich positiv. Wichtig ist, dass die Mannschaft gewinnt. Ich warte auf meine Chance und muss bereit sein, wenn der Trainer mich braucht», sagt er über seine ungewohnte Reservistenrolle.

An David Luiz (bisher FC Chelsea), für den Paris Saint-Germain 60 Mio. Franken Ablöse bezahlt, und dessen künftigen Clubkollegen Thiago Silva kommt Dante nicht vorbei, zumindest sieht das der Trainer so. Das Duo ist bei Luiz Felipe Scolari gesetzt, und selbst im Training zeigt es warum: Bei hohen Bällen, fast im Sekundentakt aus etwa 25 Metern abgefeuert, hetzen die Abwehrspieler zwischen einem Hütchen und der Torlinie hin und her. Leichtfüssig sieht das bei Luiz und Silva aus. Dante steht ihnen nicht viel nach, aber mitunter wirkt der Bayern-Star eben so, wie ihn die «Süddeutsche Zeitung» mal beschrieben hat: «Eine Mischung aus Leuchtturm und Reggaekünstler.»

«Es ist ein Vergnügen, hier in Brasilien zu sein; physisch gut drauf zu sein, an mir arbeiten zu können. Das motiviert mich», sagt Dante. «Wenn ich nicht spiele, frage ich mich immer, was ich besser machen kann, um vielleicht doch einmal zum Einsatz zu kommen. Das Trikot der brasilianischen Nationalmannschaft zu tragen, war immer mein Traum. Wenn ich Weltmeister werden sollte, selbst ohne Einsatz, wäre ich noch glücklicher.»

Als Scolari am 7. Mai in Rio de Janeiro seinen Aufgebot bekannt gab, sass Dante in München nervös mit seiner Frau Jocelina, den Kindern Diogo und Sophia und seinem Vater João vor dem Fernseher. Alle jubelten und umarmten sich, als Scolari von seinem Zettel «Dantschi» ablas. So wird nämlich sein Name in Brasilien ausgesprochen. Die rührende Szene ist in der ARD-Dokumentation «Mata Mata» zu sehen, was so viel wie K.o-Spiel heisst. «Weisst du noch, als wir klein waren und Fussball geguckt haben», sagt Dante zu seinem Vater. «Wir haben Popcorn gemacht, und bei einem Tor ist das Popcorn an die Decke geflogen.»

Jetzt ist Dante, auch wenn er nicht zum Stamm gehört, auf seiner Traumreise. Auf Facebook postet er immer wieder Fotos aus dem Mannschaftsbus. Oder ein Filmchen aus dem Flieger, wie der Musikfreak im Kreis der Seleção mit der Mandoline klimpert und Scolari ihm über die Schulter schaut. Seit dem Confederations Cup im vergangenen Jahr ist Dante so etwas wie die Stimmungskanone im Team. Bei der WM-Hauptprobe vor einem Jahr wurde er gegen Italien (4:2) ausgerechnet in seiner Heimatstadt Salvador de Bahia eingewechselt – und schoss gleich ein Tor.

Mit weit aufgerissenen Augen, einem strahlenden Lächeln und noch wirreren Haaren als sonst tauchte Dante damals aus der Traube jubelnder Mitspieler auf. «Das», sagte der Bayern-Profi später, «ist der glücklichste Tag in einem Leben. Das sind Emotionen, die man mit Geld nicht bezahlen kann. Mama, Papa, Opa, alle waren im Stadion.» 60 Tickets hatte er für Freunde und Familie besorgt.

Von einer solchen Sternstunde träumt Dante jetzt bei der WM. Dass er es überhaupt in die Seleção geschafft hat, ist gar nicht hoch genug einzuschätzen. Als kleiner Junge, erinnert sich sein Vater, «musste er immer der Erste auf dem Platz sein, damit er die Mannschaft wählen und überhaupt mitspielen durfte.» Später fuhr sein Filius Tausende von Kilometern mit dem Bus durch Brasilien, um irgendwo vorspielen zu dürfen, bis ihn Caxias Juventude nahm. Von den monatlich umgerechnet 100 Euro schickte er die Hälfte nach Hause.

Sein erster Club in Europa war OSC Lille in Frankreich. Dort kam er im Januar 2004 an. «Es war minus zwei Grad, überall lag Schnee und ich hatte noch nie vorher Schnee gesehen.» Zehn Monate lang war Dante damals verletzt, nach Hause ging er nicht. Über Sporting Charleroi und Standard Lüttich kämpfte er sich in die Bundesliga zu Borussia Mönchengladbach. Auch beim FC Bayern setzte er sich durch und gewann im vergangenen Jahr das Triple. Nur ein WM-Triumph mit Brasilien würde das noch toppen. «Ich glaube, Glück muss man sich erarbeiten. Das Glück kommt nicht einfach zu dir, du musst es erzwingen», sagt der Brasilianer mit der Rückennummer 13.

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