Vor der 11. Tour de Ski gestaltet sich die Ausgangslage offen wie selten. Dario Cologna ist nicht der Topfavorit, aber für einen Spitzenplatz gut.
Ausgerechnet der Start in der engsten Heimat Val Müstair könnte sich für den Münstertaler Dario Cologna als grösstes Hindernis für eine erfolgreiche Tour de Ski herausstellen. Der Auftakt an Silvester erfolgt mit einem Skating-Sprint, und in dieser Disziplin blieb der dreifache Toursieger in dieser Saison jeweils weit von einer Finalqualifikation entfernt. Er wird danach wohl eine Aufholjagd starten müssen, erstmals am Neujahrstag ebenfalls in Tschierv über 10 km klassisch. Die Tour verlieren kann Cologna in der Heimat aber mit Sicherheit noch nicht.
Er ist in diesem Jahr nicht der Topfavorit. Dafür waren seine Resultate zu unbeständig. Nur zweimal, als Siebter über 10 km in Lillehammer und als Zehnter über 30 km in Davos, lief Cologna in die Top Ten. Kleine Fragezeichen bestehen um den Gesundheitszustand nach seiner Erkältung vor Weihnachten. In den letzten Tagen konnte der 30-jährige Bündner aber gut trainieren. Er geht zuversichtlich ins Etappenrennen.
Für den Schweizer Teamchef Christian Flury ist Martin Johnsrud Sundby, der Sieger von 2014 und 2016, erneut der Mann, den es zu schlagen gilt. Dahinter folgen für ihn sechs bis sieben Athleten mit Chancen auf das Podest, darunter Cologna, dessen Fokus allerdings eher auf die WM im Februar in Lahti gerichtet ist. Zu den Herausforderern von Sundby dürften neben Cologna dessen Landsmann Finn Haagen Krogh, die Schweden Calle Halfvarsson und Marcus Hellner sowie der Kanadier Alex Harvey gehören.
Die übrigen Schweizer, allen voran Toni Livers, verfügen über ähnliche Stärken wie Cologna und werden in den Sprints versuchen müssen, den Rückstand in Grenzen zu halten. Auch er war im Oktober krank, zeigte aber mit einem 8. Platz im letzten Rennen vor Weihnachten in La Clusaz eine deutlich ansteigende Form. Mit gesundheitlichen Problemen kämpften zuletzt Curdin Perl und Jonas Baumann.
Von Siebenthal: Bestätigung oder sogar Sprung nach vorne
Bei den Frauen strebt Nathalie von Siebenthal mindestens die Bestätigung ihres 15. Platzes vom Vorjahr an. Sie wird als einzige Schweizerin auf das Gesamtklassement laufen. Die Sprinterinnen Laurien van der Graaff, Nadine Fähndrich und Heidi Widmer werden spätestens nach der zweiten Etappe an Neujahr über 5 km im klassischen Stil mit Massenstart aussteigen. «Ein Top-Ten-Platz ist für Nathalie möglich», glaubt Christian Flury. «Dafür muss aber alles zusammenpassen.» Die 23-jährige Berner Oberländerin lief in jedem Distanzrennen im Skating-Stil in dieser Saison in die ersten 15 (6., 12. und 15.). Ihr kommt wie Cologna und Livers entgegen, dass der Sprint zum Auftakt der einzige der diesjährigen Tour de Ski ist.
Für Van der Graaff, Fähndrich und Widmer ist dieser Auftakt vor dem Heimpublikum im Münstertal gleich der Höhepunkt.
Nach der Dopingsperre von Vorjahressiegerin Therese Johaug und dem freiwilligen Verzicht von Marit Björgen wird es in diesem Jahr eine neue Gesamtsiegerin geben. Diese dürfte wohl dennoch aus Norwegen kommen. Mit Heidi Weng und Ingvild Flugstad Östberg stehen zwei Skandinavierinnen an der Spitze des Weltcups. Die ewige Zweite (oder Dritte) Weng wittert die grosse Chance, aus dem Schatten ihrer Landsfrauen zu treten. Bei acht Starts in diesem Winter klassierte sie sich immer auf dem Podest.
Die unverhoffte Favoritenrolle könnte allerdings zur Last werden. Die Schwedin Stina Nilsson und die Finnin Krista Pärmäkoski scheinen neben Östberg am ehesten fähig, von einer Schwäche profitieren zu können.
Nach den ersten beiden Wettkämpfen im Val Müstair zügelt der Tour-de-Ski-Tross nach Oberstdorf und dann weiter ins Südtirol (Toblach) und Trentino mit dem legendären Aufstieg auf die Alpe Cermis am 8. Januar als Abschluss.