Nach den Enttäuschungen im Vorjahr will Dario Cologna wieder ganz vorne mitmischen und die norwegische Langlauf-Dominanz eindämmen. Ende Februar will er sich in Topform präsentieren.
Sorgt während der Saisonvorbereitung eine Sportart für übermässig viele Schlagzeilen, verheisst dies meist nichts Gutes. Nicht anders war dies in diesem Sommer respektive Herbst in Bezug auf den Langlaufsport, der gleich zweimal aufgeschreckt und in ein schlechtes Licht gerückt wurde. Verantwortlich hierfür waren ausgerechnet die norwegischen Aushängeschilder.
Martin Johnsrud Sundby verlor im Hochsommer wegen falscher Anwendung eines Asthmamittels sowohl seinen Tour-de-Ski- als auch den Gesamtweltcup-Sieg 2015. Nicht einmal drei Monate später wurde bekannt, dass Therese Johaug bei einer Dopingkontrolle hängengeblieben war. Bei der 28-Jährigen wurde das anabole Steroid Clostebol nachgewiesen. Die Substanz habe sich in einer Crème befunden, die ihr zur Behandlung eines Sonnenbrands an der Lippe im September verabreicht worden war.
Derweil die Saisonvorbereitung des weltbesten Langlauf-Teams empfindlich gestört worden ist, sind aus dem Lager der Schweizer Equipe vor dem Weltcup-Auftakt in Kuusamo weitestgehend verheissungsvolle Botschaften zu vernehmen. Mehrere Athleten, unter ihnen der Teamleader Dario Cologna, liessen an den Leistungstests in Magglingen mit persönlichen Bestwerten aufhorchen.
Fingerspitzengefühl gefragt
Podestplätze, die nicht von Cologna herausgelaufen werden, dürften auch in diesem Winter gleichwohl die grosse Ausnahme bleiben. Am ehesten hierfür infrage kommen die Sprinter. Die öffentliche Wahrnehmung des Schweizer Langlauf-Teams korreliert sowohl im Weltcup als auch insbesondere beim Saison-Highlight, den Weltmeisterschaften in Lahti (22. Februar bis 5 März), stark mit dem Abschneiden Colognas.
Der 30-jährige Münstertaler nimmt am Wochenende in Lappland seine elfte Weltcup-Saison in Angriff – und strahlt dabei Zuversicht aus. Gleichwohl ist er willens, die ohnehin hohen Erwartungen an ihn nicht auf ein vermessenes Mass ansteigen zu lassen. «Zu euphorisch bin ich aufgrund der Tests nicht.»
Aufgrund einer Zerrung in der linken Wade musste Cologna im vergangenen Winter die Tour de Ski aufgeben, rund einen Monat später zwangen ihn anhaltende Probleme mit der Wade zum vorzeitigen Saisonende. Die Vorbereitung verlief nun sehr zufriedenstellend, Cologna konnte im gewünschten Umfang trainieren. Er ist deshalb guten Mutes, ohne Schwierigkeiten durch die Saison zu kommen.
«Ich habe die Wade nicht gross im Hinterkopf, denke nicht in jedem Training an sie.» Bei grossen Belastungen spürt der dreimalige Olympiasieger seine Schwachstelle gleichwohl ein bisschen, deshalb gilt es während der Saison, dem Problem mit Fingerspitzengefühl zu begegnen, gut in sich hineinzuhören. «Es gibt keine Garantie, dass die Wadenprobleme nicht wieder auftreten. Aber solange ich nichts spüre, gebe ich alles.»
WM überstrahlt alles
Für den Gesamtweltcupsieger der Jahre 2009, 2011, 2012 und 2015 gab es im für ihn verkorksten letzten Winter durchaus auch gute Ansätze. Nun will er darauf aufbauen. Sein Ziel ist es, den Formaufbau so zu steuern, dass er sich Ende Februar, wenn in Lahti die ersten WM-Rennen anstehen, in Topverfassung befindet. «Dann kann ich jeden bezwingen.»
Gemessen an seinem Leistungspotenzial startet Cologna in der Regel eher verhalten in eine Saison. Er braucht ein paar Rennen, um in Form zu kommen. Entsprechend soll in die Resultate der ersten Wochenenden in Kuusamo und in Lillehammer nicht zu viel hineininterpretiert werden. «Ich möchte eine gute Grundlage legen, die ersten Rennen sind nicht die wichtigsten.»
Während den bevorstehenden vier Monaten gibt es mit dem Heim-Weltcup in Davos, der Tour de Ski mit Start im Münstertal sowie dem Kampf um den Gesamtweltcup einige schöne Herausforderungen – und eine oberste Priorität: Die Titelkämpfe in Lahti.
Qualitativ und quantitativ ein Schritt nach vorne
13 Klassierungen innerhalb der ersten zehn haben die Schweizer Langläufer ohne Cologna im letzten Weltcup-Winter herausgelaufen. Mit deren sechs hatte Nathalie von Siebenthal hierbei einen massgeblichen Anteil.
Vorerst dürfte sich diesbezüglich wenig bis nichts ändern – vorausgesetzt, die 23-jährige Berner Oberländerin erleidet keine gesundheitlichen Probleme. In der Vorbereitung hat Von Siebenthal ihren Trainingsumfang im Kraftbereich und auf den Rollski erhöht und Fortschritte in der klassischen Technik erzielt. Langlauf-Chef Hippolyt Kempf geht davon aus, dass sich die beste Schweizer Langläuferin in dieser Saison im Bereich der Ränge 5 bis 15 etablieren kann.
Von Siebenthals Vorbereitung war von Auf und Abs geprägt, auftretende Müdigkeit führte zwischenzeitlich zu Ungewissheit. Die Resultate der Leistungstests sorgten schliesslich jedoch für Beruhigung und zeigten auf, dass der Fahrplan stimmt.
Derweil Von Siebenthal und die Bündnerin Seraina Boner wie zuletzt die beiden Schweizer Trümpfe im Distanzbereich sind, werden in den Sprint-Wettkämpfen Laurien van der Graaff und Nadine Fähndrich die besten Resultate liefern. Van der Graaff, im Weltcup bislang dreimal auf dem Podest, setzt sich eine Klassierung in den Top 7 der Disziplinenwertung zum Ziel, derweil die erst 21-jährige Luzernerin Fähndrich den erstmaligen Vorstoss in einen Halbfinal (Top 12) anstrebt. Bei den Männern gehören im Distanzbereich die beiden «Teamsenioren» Toni Livers (33) und Curdin Perl (32) neben Cologna zu den aussichtsreichsten Anwärtern auf Top-10-Platzierungen.
Kempf ist überzeugt, dass das von ihm nach der letzten Saison forcierte Training zur Verbesserung der Technik die erhofften Früchte abwerfen wird. Laut Cheftrainer Bärti Manhart ist das Team als Ganzes einen Schritt weitergekommen. Nun gelte es, dies auf den Weltcup-Loipen in Resultate umzumünzen.
Rückkehr der Grande Dame
Mit Spannung erwartet wird die Rückkehr von Marit Björgen. Die norwegische Rekordweltmeisterin legte im vergangenen Winter eine Babypause ein und will nun im Alter von 36 Jahren an frühere Erfolge anknüpfen. Am vergangenen Wochenende feierte sie bei FIS-Rennen in Beitostölen ein erfolgreiches Comeback. Über 10 km Skating verwies sie die Gesamtdritte und -zweite der letzten Weltcup-Saison, Heidi Weng und Ingrid Flugstad Östberg, auf die Ehrenplätze. Therese Johaug, in Abwesenheit von Björgen die Dominatorin der letzten Saison, wurde nach ihrem positiven Dopingtest vorläufig für zwei Monate bis Mitte Dezember suspendiert.