Im Teilchenbeschleuniger LHC sollen künftig Strahlen mit noch höheren Energien die Suche nach bisher unbekannten Teilchen unterstützen. Einen ersten Schritt für dieses Upgrade machte das Forschungszentrum CERN am Dienstag mit der Einweihung eines neuen Beschleunigers.
Die Protonen, die durch den Large Hadron Collider (LHC) sausen, beginnen ihre Reise in einem kleineren Beschleuniger, dem Linearen Beschleuniger Linac 2. Er übernimmt die erste Etappe in einer Art Staffellauf, bei der die Teilchen von Gerät zu Gerät weitergereicht und dabei Schritt für Schritt beschleunigt werden, bis sie schliesslich im LHC im Zuge von Experimenten kollidieren.
Bis 2021 soll der Protonenstrahl im LHC noch höhere Energien erreichen und damit neue Erkenntnisse über das Higgs-Teilchen und vielleicht auch Hinweise auf eine neue Physik ermöglichen. Einen ersten Schritt dahin machte das CERN am Dienstag mit der Einweihung des Linac 4, eines neuen Linearen Beschleunigers, der den Linac 2 ersetzen soll.
Erstes Schlüsselelement
«Wir freuen uns, diese beachtliche Errungenschaft zu feiern», sagte CERN-Direktorin Fabiola Gianotti. Linac 4 sei das erste Schlüsselelement im ehrgeizigen Upgrade-Programm, das die Rate an Teilchenkollisionen – Luminosität genannt – im LHC deutlich erhöhen soll.
«Das ist nicht nur ein Erfolg für das CERN, sondern auch für die Partner aus verschiedenen Ländern, die geholfen haben, dieses neue Gerät zu entwerfen und zu bauen», liess sich Frédérick Bordry, CERN-Direktor für Beschleuniger und Technologie, in einer Mitteilung des Forschungszentrums vom Dienstag zitieren. «Heute feiern und danken wir auch der internationalen Zusammenarbeit, die dieses Projekt vorangetrieben hat.»
Bau dauerte zehn Jahre
Der Bau des neuen Beschleunigers dauerte fast zehn Jahre, wie das CERN schreibt. Er ist etwa 90 Meter lang und liegt 12 Meter unter der Erde. Nach einer gründlichen Testphase soll Linac 4 an den Beschleunigerkomplex des CERN angeschlossen werden, und zwar während einer längeren technischen Wartungspause von 2019 bis 2020.
Linac 4 wird negativ geladene Wasserstoffionen – also Wasserstoffatome mit zwei Elektronen – im ersten Schritt des Beschleuniger-Staffellaufs beschleunigen. Dabei erreicht das neue Gerät mehr als die dreifache der Energie seines Vorgängers Linac 2. Anschliessend reicht es die Teilchen an den nächsten Beschleuniger weiter, den «Proton Synchroton Booster», der sie weiter beschleunigt und die Elektronen entfernt, um daraus Protonen zu machen.
Die Energiesteigerung und die Verwendung von negativ geladenen Wasserstoffionen als Ausgangsprodukt verdoppeln die Strahlintensität, die den LHC erreicht und steigern damit dessen Luminosität, die Anzahl der pro Zeiteinheit kollidierenden Teilchen. Bis 2025 soll sie sogar um den Faktor Fünf gesteigert werden, hiess es in der Mitteilung.
Mehr Kollisionen, mehr Daten
Mehr Kollisionen bedeuten auch mehr Daten, mit denen die CERN-Forschenden Teilchen wie das Higgs-Boson noch genauer vermessen wollen. Auch könnten sich in der höheren Anzahl Kollisionen seltene Prozesse finden, die mit den bisherigen Instrumenten nicht entdeckt werden konnten.
Letztlich geht es darum, dem Standardmodell der Teilchenphysik immer genauer auf den Zahn zu fühlen. Dieses mathematische Modell beschreibt einen Teil des Universums mit seinen Teilchen und Kräften sehr gut. Es wurde immer wieder in Experimenten bestätigt. Einige ganz elementare Dinge – wie beispielsweise die Gravitationskraft – passen jedoch in dieses Modell nicht hinein, weshalb Forschende nach einer neuen, umfassenderen Theorie suchen. Dabei sollen am CERN immer präzisere Messinstrumente helfen.