Das gefährliche Geschäft der Rohstoffbarone

Die Fusion des Zuger Rohstoffkonzerns Glencore und der Bergbaufirma Xstrata macht die Schweiz zum Zentrum des globalen Handels mit Rohstoffen – zum Nutzen von wenigen und zum Schaden vieler.

Aufreibender Job: Emmanuel Tandeo (50) arbeitet seit 30 Jahren als Minenarbeiter in Sambia. Derzeit ist er für die Mopani Copper Mines tätig, die merheitlich im Besitz des Zuger Rohstoffkonzerns Glencore ist. (Bild: Meinrad Schade)

Die Fusion des Zuger Rohstoffkonzerns Glencore und der Bergbaufirma Xstrata macht die Schweiz zum Zentrum des globalen Handels mit Rohstoffen – zum Nutzen von wenigen und zum Schaden vieler.

Im vergangenen Jahr dürften es erstmals mehr als 20 Milliarden Franken gewesen sein. Bereits nach dem dritten Quartal lag der Pegel bei 17,6 Milliarden Franken. Damit hat der Rohstoffhandel seine Stellung als wichtigste Export­industrie der Schweiz weiter gestärkt. Schon 2010 hatten die Nettoeinnahmen aus dem Handel mit Rohstoffen (19,8 Milliarden Franken) erstmals den Saldo aus dem gesamten Warenverkehr (19,3 Milliarden Franken) und aus den Bankendienstleistungen (16,4 Milliarden Franken) überstiegen.

Der rasante Aufschwung der Rohstoffhändler kommt für das Land zum richtigen Moment: Sie gleichen damit die Exportschwäche der Finanzdienstleister, allen voran der Vermögensverwalter, mehr als aus. Diese haben in den letzten fünf Jahren 30 Prozent ihrer Exportüberschüsse eingebüsst.

Das Huhn, das uns einst die goldenen Eier legte, gackert zurzeit etwas ­leiser. Dafür wackelt schon das nächste heran. Doch von ihm werden weniger Leute profitieren. Der Finanzsektor ­ be­schäftigt gemäss der Bankierver­eini­gung hierzulande 195 000 Menschen, wovon 26 000 in der Ver­mö­gensver­waltung arbeiten. Im Jahr 2008 haben der Bankensektor und seine Angestellten jährlich 14 bis 18 Milliarden Franken an Einkommens-, Gewinn- und Stempelsteuern abgeliefert.

Verschwiegene Rohstoffhändler

Die verschwiegene Rohstoffbranche dagegen hütet sich, ähn­liche Berechnungen anzustellen und diese an die grosse Glocke zu hängen. Gemäss dem Buch «Rohstoffe – das gefährlichste Geschäft der Schweiz», das 2011 von der Erklärung von Bern herausgegeben wurde, arbeiten in der ­Zentrale des Schweizer Rohstoffmultis Glencore in Baar 250 Leute, und Xstrata soll in ihren beiden Zentralen in Zug und London 50 Leute beschäftigen.

Die paar wenigen Leute kassieren dafür umso mehr. So ist etwa das ­Vermögen von Glencore-Chef Ivan Glasenberg nach dem Börsengang des Unternehmens im Jahr 2011 mit 7,9 Mil­liarden Dollar bewertet worden. Allein sein Aktienbesitz hat ihm in ­diesem Jahr rund 55 Millionen Dollar an Dividende eingebracht. Dazu kommt noch sein Salär plus Bonus, dessen Höhe der Geschäftsbericht von Glencore verschweigt.

Wie viel bei Glencore verdient wird, deutet aber eine Aussage des Gemeindepräsidenten von Rüschlikon ZH an. ­Danach bringt ihm der Zuzug von ­Glasenberg und «einigen weiteren» Glencore-Managern jährlich Mehrein­nahmen von 50 bis 55 Mil­lionen Franken. In Rüschlikon beträgt der maximale Steuersatz 11 Prozent. Die Handvoll Glencore-Manager dürften somit gut eine halbe Milliarde Einkommen versteuern.

Mieten sind markant gestiegen

Glasenberg arbeitet in der Schweiz und konnte deshalb kein Pauschalsteuer­abkommen abschliessen. Er konnte sich aber einen Wohnsitz mit einem tiefen Steuersatz aussuchen – und hat mit seinem finanziellen Gewicht den Steuersatz in Rüschlikon sogar noch nach unten gedrückt.

Formell hält sich der Multimilliardär an unsere Gesetze, was heute nicht mehr selbstverständlich ist. Ob allerdings die Schweiz davon profitiert, wenn eine ihrer reichsten Gemeinden noch reicher wird, ist eine offene Frage. Sicher ist: Auf Glasenbergs unmittel­bare Nachbarn lastet eine hohe Hypothek. Die Mieten in Rüsch­likon sind inzwischen fast unerträglich hoch: Für eine Vier-Zimmer-Wohnung muss man mindestens 4000 Franken zahlen.

Schon bei den Banken muss man sich spätestens nach den neuesten Entwicklungen fragen, was diese Export­industrie dem Durchschnittsschweizer ausser Steuerwettbewerb, Zersiedelung und steigenden Mieten gebracht hat. Beim Rohstoffhandel ist das Fragezeichen noch grösser: Das Geld, das in dieser Branche verdient wird, ist noch viel einseitiger verteilt – und das Reputationsrisiko um Faktoren höher. Vermögensverwalter helfen reichen Leuten, Steuern zu vermeiden oder zu hinterziehen, Rohstoffproduzenten schliessen mit Diktatoren und korrupten Oligarchen Verträge ab. Viele dieser Rohstoffmagnaten haben sich daran gewöhnt, über den Gesetzen zu stehen, und sie wissen, dass auch in der Schweiz Geld vieles möglich macht.

Doch es geht nicht nur um das Risiko für die Schweiz, sondern auch um die Gefahren, die von unserem Land für den Rest der Welt ausgehen. Klar: Gäbe es die Schweiz nicht, ­lägen die globalen Zentren der Vermögensverwaltung und des Rohstoffhandels einfach anderswo, vermutlich in London. Doch das sollte nicht daran hindern, über den globalen Schaden nachzudenken, der von solchen Zentren ausgeht. Das Geld, das sich in der Schweiz ansammelt, fehlt nämlich in den Ländern, in denen die Reichen dieser Welt ihre Vermögen gemacht haben.

Schweiz saugt zu viel Energie ab

Rohstoffländer wie Kolumbien, Kasachstan, Äquatorialguinea und die Demokratische Republik Kongo – wo Glencore 70 Prozent ihrer Rohstoffe abbaut – sind vor allem aus einem Grund fast immer arm: Die Gewinne aus dem Abbau konzentrieren sich in wenigen Händen – und diese wenigen Unternehmer können ihre Gewinne per Mausklick ins Ausland verschieben.

Inzwischen werden fast alle wichtigen Rohstoffproduzenten der Welt von wenigen global tätigen Multis kontrolliert. Diese kassieren gemäss der Erklärung von Bern bei der Produktion von Metallen eine Marge von 25,8 Prozent des Verkaufspreises und beim Börsenhandel noch einmal 3,7 Prozent. Bei Energieprodukten waren die Margen 2010 etwas kleiner. Nicht inbegriffen sind die Zahlungen an die lokalen Potentaten.

All dieses Geld fliesst mit einem ­«giant sucking sound» in den globalen Finanzkreislauf ein. Mit diesem ­Aus­druck – «gigantisches saugendes Geräusch» – umschrieb der einstige republikanische US-Präsidentschaftskandidat Ross Perot im Jahr 1992 die Folgen des Geldabflusses, die bei einer Annahme des Freihandelsabkommens mit Mexiko aus den USA abgesaugt würden: Millionen von Jobs ständen auf dem Spiel, warnte Perot.

Noch dramatischer ist es im Falle der Rohstoffländer. Hier werden Arbeitsplätze nicht abgesaugt, sie entstehen gar nicht erst. Denn den Minen­arbeitern bleiben viel zu wenige Mittel übrig, als dass sich aus dem Bergbau überhaupt noch andere Industrien und Gewerbezweige entwickeln könnten.

Ähnliches gilt auch für Länder wie Deutschland, denen wegen des Steuerwettbewerbs – unter anderem mit der Schweiz – und der Steuerflucht das Geld für den Ausbau der staatlichen ­Infrastruktur fehlt: Bei unserem nörd­lichen Nachbarn sind die Nettoinves­titionen (Investitionen minus Ab­schrei­bungen) seit 2003 Jahr für Jahr negativ. Im Klartext: Es reicht nicht einmal für den Unterhalt. Im Gegenzug fliessen pro Jahr rund 150 Milliarden Euro ins Ausland.

Global gesehen, ist auch die Finanz- und Rohstoffdrehscheibe Schweiz ein schwarzes Loch, das andernorts Energien absaugt. Ein Vorteil, der trügerisch ist und sich rasch ins Gegenteil verkehren kann, wie die gegenwärtigen Auseinandersetzungen rund um das Schweizer Bankwesen zeigen.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 17.02.12

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