Das geheimste Geheimnis ist gelüftet

Vor über 2000 Jahren schrieb Cäsar sein Opus über den «Gallischen Krieg». Jetzt sagt der neuste Asterix-Band, wie es wirklich war.

(Bild: Verlag EHAPA)

Vor über 2000 Jahren schrieb Cäsar sein Opus über den «Gallischen Krieg». Jetzt sagt der neuste Asterix-Band, wie es wirklich war.

Polemix wittert die Story seines Lebens. «Wenn das bekannt wird, verursacht das einen Skandal, der das gesamte Reich erschüttert!», freut sich der Korrespondent der «Gallischen Revue» in Rom. Denn er hat den Beweis, dass Cäsar lügt: «Er hat eben nicht ganz Gallien erobert.»

So beginnt «Der Papyrus des Cäsar», das neuste Heft der Asterix-Serie, das am Donnerstag nach zweijährigem Warten in den Buchhandel gekommen ist. Es ist der zweite Streich des neuen Autorenduos Jean-Yves Ferri und Didier Conrad (der erste war «Asterix bei den Pikten», 2013). Ihre Namen bleiben auf dem Titelbild kleiner gedruckt als die der legendären Schöpfer René Goscinny und Albert Uderzo.

Aber um es gleich vorwegzunehmen: Auch diese Geschichte kann sich sehen lassen. Sie ist originell und abwechslungsreich, der Plot dicht. Dasselbe gilt für die historischen und aktuellen Bezüge – die Social Media der Antike waren damals die Brieftauben; Bigdata kommt vor wie die Informations-Piraterie und die Protagonisten des intelligent übersetzten Albums heissen Antivirus, Datenflus oder Rohrpostix.

Das Ganze wirkt so durchdacht, dass etwas von Uderzos Spontaneität auf der Strecke bleibt und in einem gewissen Sinn auch Goscinnys ungezwungener Sprachwitz. Einige Trouvaillen wirken bemüht – und trotzdem kann man sich das Schmunzeln während der Lektüre nicht verkneifen.

So schon auf der ersten Seite, als Cäsars Kommunikationsexperten Syndicus vorschlägt, das Kapitel 24 aus dem Heldenepos «Bellum Gallicum» zu streichen. Es handelt vom einzigen Rückschlag der Römer gegen das unbeugsame Gallierdorf.




Sagt Syndicus und erntet eine donnernde Antwort von Cäsar. (Bild: Verlag EHAPA)

«Du schlägst Cäsar vor, die Wahrheit zu verdrehen?!», donnert der Imperator und droht dem windigen Berater, bald die Löwen im Zirkus beraten zu können. Doch als Syndicus zu bedenken gibt, dass der Senat aufgrund eines makellosen Lageberichts vielleicht weitere Feldzüge finanzieren könnte, wird der römische Kaiser schon schwach; flugs gibt er Order, das ominöse Kapitel aus den bereits geschriebenen Papyrusrollen (Auflage: 50) zu kippen.

Doch natürlich findet ein Exemplar den Weg durch die Maschen der Zensur. Dank dem aufrechten Reporter Polemix – Pate für die Figur stand Wikileaks-Gründer Julien Assange – erfahren die Gallier, dass Cäsar sie als einen «kulturlosen und zerlumpten Haufen» schilderte, in dem sich ein «dicker, rotbezopfter Krieger» hervortue. «Dick? Wer ist hier dick?», fragt Obelix nun auch mit rotem Kopf.

So lebt auch das neuste Gallier-Opus von den Running Gags, die sich bei Asterix einfach nie totlaufen wollen. Am amüsantesten sind wie üblich die Nebenhandlungen, etwa Obelix‘ Horoskop, er solle weniger Wildschweine essen und – angesichts der omnipräsenten Römer fast noch schlimmer – «Konflikte meiden». Die besten Dialoge liefern sich diesmal der überforderte Stammeshäuptling Majestix und seine Frau Gutemine, die keinen Zweifel offenlässt, wer de facto die Hosen anhat.




Obelix hört nicht gern auf sein Horoskop. (Bild: Verlag EHAPA)

Wie es kommt, dass die Episode der wehrhaften Gallier schliesslich doch keine Schlagzeilen in Cäsars Bestseller macht, sei hier nicht verraten. Nur so viel aus dem Epilog des Albums: Dank der mündlichen Überlieferung durch die Druiden kam das Ganze Jahrhunderte später «zwei talentierten Autoren» zu Ohren, die sogar einen Kurzauftritt mit je einer Sprechblase erhalten. Es sind Goscinny und Uderzo, die von ihren Nachfolgern auf diese Weise eine kleine Hommage erhalten.

Unfreiwillig wirkt sie wie ein krönender Abschluss nicht nur des Albums, sondern der ganzen Comic-Serie. Schreck lass nach: Conrad und Ferri wollen, wie sie unlängst in Paris erklärten, zumindest noch ein weiteres Album zusammen schaffen.

Den richtigen Zeitpunkt zum Aufhören zu finden, ist vielleicht Asterix‘ schwierigste Mission.

Anne Goscinny, die Tochter des 1977 verstorbenen Asterix-Erfinders, meinte diese Woche in einem Beitrag in der Zeitung «Le Monde» ebenfalls, Asterix habe seine Schöpfer überdauert: «Dass jene überleben, die uns das Leben geschenkt haben, gehört zum natürlichen Lauf der Dinge.» Um fortzufahren: «Kinder sterben nicht, wenn ihre Eltern von der Bildfläche verschwinden. Sie ändern sich, sie reifen, werden grösser.»

Bloss hat sich Asterix in 36 Alben und 56 Jahren allerdings um kein Haar verändert. Auch das ist verständlich; es birgt aber auch, und trotz der ehrlichen Bemühungen des neuen Autorengespanns, die Gefahr der natürlichen Abnützung. Nichts währt ewig – das gilt nicht nur für das römische Reich. Den richtigen Zeitpunkt zum Aufhören zu finden, ist vielleicht Asterix‘ schwierigste Mission. Vor allem, wenn die Sesterzen weiter klingeln.

Nächster Artikel