Ein Quartier kann durch Mikroeingriffe verändert werden – es braucht nur Mut! Das Caffè Bologna im Iselin ist ein gutes Beispiel für eine solche Entwicklung.
Ein Quartier kann durch Mikroeingriffe verändert werden – es braucht nur Mut! Das Caffè Bologna im Iselin ist ein gutes Beispiel für eine solche Entwicklung.
Das Restaurant Milchhüsli hat sich an der Missionsstrasse 61 in Basel befunden. Lange Jahre hat sich die Stammbeiz von Kommissär Hunkeler einen Namen gemacht. Die Assoziationen mit dem Milchhüsli sind jedoch eher negativ und recht eintönig. Eine Spunte soll es gewesen sein, mit Billardtisch und Bier zum Z’ Morgen. Ich selber habe das alte Restaurant Milchhüsli nie besucht, Freunde schon. Alle erzählten mir dasselbe, der Billardtisch und das Bier wurde ohne Ausnahme von allen genannt.
Gespannt war ich, als ich die leeren Räumlichkeiten vor gut neun Monaten zum ersten Mal betrat. Viel gab es nicht zu sehen. Die Dunkelheit hat mich fast erdrückt und die hässliche ziegelrote Decke mit den schwarzen, nachgeahmten Holzbalken war ohne Frage aus der Mode. Die Wände in braunem Holztäfer, die Toiletten von unten bis oben geplättelt – ebenfalls in Dunkelbraun.
Vom Restaurant Milchhüsli zum Caffè Bologna
Der Gastraum war jedoch gross und durch eine Schiebetüre zum ehemaligen Fumoir verbunden. Ich musste zugeben: Das Lokal hat Charme. Und sogar Potential. Denn eine Küche war bereits vorhanden, ebenso die sanitären Anlagen und ein grosser Keller. Die Grundvoraussetzungen an die Lokalität für unser Projekt eines Studierendencafés waren also erfüllt. Aber etwas störte mich. Obwohl die Gehdistanz von der Unibibliothek bis zum Milchhüsli nur etwa acht Minuten beträgt, fand ich das zu weit weg von der Innenstadt.
Nach dem Abwägen von Pro und Contra haben wir uns dann für das Milchhüsli entschieden und im letzten Juni den Mietvertrag unterschrieben. Nach unzähligen Umbauarbeiten, zähen Verhandlungen, Abklärungen und Diskussionen konnte im vergangenen Dezember eröffnet werden. Die Wände sind hell gestrichen, dazu erscheint der Thekenbereich in krassem Kontrast in schwarz. Die hellen Holztische und die dunklen Thonetstühlen mit der schönen Patina verleihen dem Café eine angenehme Atmosphäre.
Das Iselin-Quartier als neues Trendviertel?
Das Bologna wird umgeben von Erica’s Erotikshop, einem Schnellimbiss und einem Coiffeurladen, vis-à-vis befindet sich das Psychologische Institut der Universität Basel. Bei einem Spaziergang im Quartier ist mir aufgefallen, dass es relativ viele Restaurants und Cafés gibt. Die Atmosphäre und das Angebot stehen aber in keinem Vergleich zum Konzept des Caffè Bologna.
Die Beiträge aus der Blogreihe «Aus den Quartieren» verkünden dieselbe Botschaft: Das Iselin sei sehr verschlafen, bietet keine aufregende Lokalitäten, hat jedoch Betriebe, die seit langer Zeit funktionieren, wie zum Beispiel der Käseladen von Alex Wirth, über den die TagesWoche bereits berichtete.
In einem kürzlich erschienenen Blogeintrag schneidet die TagesWoche auch das Thema «Lädelisterben» im Iselin an. Viele Betriebe mussten bereits ihre Türen schliessen – über die Gründe wird spekuliert. Das Resultat sind viele freistehende Ladenlokale und eine Ungewissheit, wie es mit dem Quartier weitergehen soll. Die Weiter- oder Umnutzung dieser Ladenflächen ist nicht einfach.
Viele Bedürfnisse können heute über das Internet gestillt werden, andere Besorgungen werden in der Innenstadt oder Einkaufszentren gemacht. Wenn dem Kunden jedoch ein Angebot offeriert wird, das mit einem Einkaufserlebnis verbunden wird, können kleine Läden durchaus erfolgreich sein. Stellen wir uns vor, dass alle freistehenden Läden im Iselin mit einem Angebot, wie es an der Klybeckstrasse heute vorhanden ist, gefüllt werden. Wäre das nicht erstens eine Quartiersaufwertung und zweitens ein weiterer Schritt in Richtung Kulturstadt?
Ohne Mut keine Läden
Die Rahmenbedingungen für ein neues Trendviertel wären nicht allzu schlecht: Die Verkehrsanbindungen zum Bahnhof und in die Innenstadt könnten mit den Tramlinien 1 und 3 nicht besser sein, die Universität und damit viele potentielle Kunden befindet sich nicht weit entfernt. Auch die Tatsache, dass das Iselin eher ein Wohn- als Arbeitsquartier ist, spricht nicht gegen den Erfolg kleiner Läden. Spezialgeschäfte wie Alex Wirths Käseladen oder das Restaurant Asica an der Hegenheimerstrasse zeigen, dass die Basler Bewohner durchaus gewillt sind, eine kleine Reise ins Iselin zu unternehmen.
Hinzu kommt, dass die Ladenmieten wesentlich günstiger als in der Innenstadt sind und somit junge kreative Köpfe ihren Traum vom eigenen Laden verwirklichen könnten. Dafür braucht es aber viel Mut und Durchhaltevermögen – ein Projekt kann nur mit diesen Voraussetzungen umgesetzt werden. Was die Finanzierung betrifft ebenfalls, aber Basel ist in dieser Hinsicht eine ungewöhnliche Stadt, denn nirgendwo sonst in der Schweiz gibt es so viele Stiftungen wie hier.
Das Caffè Bologna kann eine Vorreiterrolle übernehmen – solange es erfolgreich bleibt. Die bisherige Entwicklung verspricht aber vieles: Täglich besuchen mehr Gäste das Bologna und um die grosse Mittagsnachfrage decken zu können, wird bald ein Koch engagiert. Mit der grösser werdenden Nachfrage sinken auch meine Zweifel, dass das Café zu «weit weg vom Schuss» sein könnte.
Viele finden den Weg ins Caffè Bologna
Ein letzter Fakt stimmt mich optimistisch: Das Publikum ist gut durchmischt. Es kommen hauptsächlich Studierende, aber auch Mütter mit kleinen Kinder und Bewohner des Quartiers. Ehemalige Stammkunden des Milchhüsli schauen ebenfalls vorbei um zu sehen, wie sich ihre Beiz verändert hat. Jeder von ihnen möchte wissen, wohin der Billardtisch verschwunden ist.
PS: In anderen Quartieren gibt es ähnliche Entwicklungsprozesse, zum Beispiel der Quartierladen mit Bistro «Radius 39», welcher vor kurzem am Wielandplatz eröffnet worden ist.