Das Land der grossen Freiheit, es liegt nicht in Übersee. Es ist hier, gleich vor der Haustüre. Das ist verbrieft im Waldgesetz und im Zivilgesetzbuch.
Man kann es sich als Zentraleuropäer fast nicht vorstellen: Strassen, die sich in unendlichen Weiten (am Horizont) verlieren. Von hier bis dort ausser der Strasse kein Anzeichen menschlicher Zivilisation. Auf den ersten rein touristischen Fahrten ist es eine Sensation, nach mehrfacher Wiederholung oder gar auf Zweck-Reisen (muss mal eben von San Francisco an die CES nach Las Vegas) wird es zur Gewissheit: Vor, hinter oder neben mir erstrecken sich Tausende von Meilen wilden Landes und wilder Landschaften. Das blosse Wissen darum, dass man zwei Tage im Auto unterwegs sein kann, ohne an irgendeine Art von Grenze oder Begrenzung zu stossen, sinkt langsam ins Bewusstsein ein und schafft dieses unerklärliche Freiheitsgefühl, das man gerne mit Amerika und wildem Westen verbindet.
Aber manchmal muss man zurückkommen, um zu erkennen, was man vorher nicht als Qualität seines Ursprungslandes gesehen hat. Das fängt beim öffentlichen Verkehr an, und es hört bei den unendlichen Weiten nicht auf.
Mit Freiheit haben diese Weiten nämlich herzlich wenig zu tun. Entlang der hunderte von Meilen langen Strasse prangt, ausser in den Nationalparks, meist beidseitig ein ebenso langer Zaun. Und daran findet man nicht selten Schilder des Inhalts «Kein Durchgang», «Privatbesitz», «Betreten auf eigene Gefahr» und «Auf Eindringlinge wird ohne Warnung geschossen».
Die meinen das ernst. (Bild: Safetysign.com)
Die Besitzer meinen, was sie schreiben. Jagen und Fischen, auch Klettern, Wandern und Biken ist ausschliesslich in den State- und National Parks und unbewirtschafteten Staatsländereien, «Wilderness» genannt, möglich – und entsprechend überfüllt sind die Parks, wie der Yosemite in der Sierra Nevada, wo sommers die Touristen nur per Tropfenzähler eingelassen und verpflichtet werden, binnen sieben Tagen wieder zu gehen.
Wer dort als Schweizer unterwegs ist und die Massen an Kletterern, Wanderern, Bikern, Fischern, Fotografen und sonstigen Aktivitätshungrigen auf einem Haufen gesehen hat, muss als nächstes seinen Begriff von Nationalpark überdenken. In der Schweiz ist der Nationalpark ein Gelände, in dem die Tiere Ruhe haben und den Menschen fast alles ausser Wandern verboten ist. In den USA ist es genau umgekehrt.
Das ist mein Punkt: Die grösste Freiheit geniessen wir Schweizer (oder allenfalls sogar wir Europäer – so genau weiss ich das nicht). Denn während die Kalifornier aus ihren goldenen Hügeln ausgesperrt sind und sich nur in den Parks tummeln dürfen, haben wir das Recht, den Wald und die Wiesen nach (Wanderers) Lust und Laune zu durchqueren.
Das ist mir auf einer unserer jüngsten Biketouren durchs obere Baselbiet klargeworden, auch wenn das Recht auf Zutritt (ZGB Art. 699) wirklich nur ein solches auf -tritt ist und Mountainbikes nicht generell einschliesst: Jede Weide, jede abgemähte Wiese (für die genauen Bestimmungen, wann Kulturland nicht betreten werden darf, gibt’s laut Experten kantonale Regeln) und jedenfalls der ganze Wald (abgesehen von Schutz- und Aufforstgebieten und dem Nationalpark) darf zu Fuss betreten werden. Egal, ob es Privatbesitz oder Eigentum einer Bürgergemeinde ist. Zur Absicherung des Zivilgesetzbuches steht es sogar nochmals ausdrücklich im Waldgesetz: Die Kantone haben dafür zu sorgen, dass der Wald zugänglich bleibt.
Nur die Ruine Farnsburg, die ist jetzt geschlossen. Aber die ist ja auch weder Wald noch Wiese, sondern Steinhaufen.