Das meint die TagesWoche-Community zum Abstimmungsergebnis

Die Schweizerinnen und Schweizer haben mit einer knappen Mehrheit für die Initiative zur Masseneinwanderung gestimmt. Wir haben die Leser-Reaktionen auf den gestrigen Kommentar von Dani Winter zusammengefasst. Die Schweizer haben mit einer knappen Mehrheit für die Initiative zur Masseneinwanderung gestimmt. Wir haben die Leser-Reaktionen auf den gestrigen Kommentar von Dani Winter zusammengefasst. Die Reaktionen lassen sich […]

Die Schweizerinnen und Schweizer haben mit einer knappen Mehrheit für die Initiative zur Masseneinwanderung gestimmt. Wir haben die Leser-Reaktionen auf den gestrigen Kommentar von Dani Winter zusammengefasst.

Die Schweizer haben mit einer knappen Mehrheit für die Initiative zur Masseneinwanderung gestimmt. Wir haben die Leser-Reaktionen auf den gestrigen Kommentar von Dani Winter zusammengefasst.

Die Reaktionen lassen sich nicht klar in «Lager» einteilen, sondern decken die verschiedensten Argumente und Perspektiven ab.

So äussert Anna E. Fintelmann ihre Beklemmung:

Ich lebe seit bald 15 Jahren hier und das gern. Dass ich zukünftig bei jedem zweiten «Grüezi» denken muss ich sei hier als Erwerbstätige aus DE unerwünscht und als Nicht-Schweizerin noch mal mehr, macht nur als Vorstellung keinen Spass und in realiter schon gar nicht.

Es gibt eine grössere Gruppe, die nicht einverstanden ist mit dem Ergebnis, jedoch aus den verschiedensten Gründen.

Zu ihnen gehört auch Sullivan Frisch

Was am meisten nervt, sind die halbschlauen SVP’ler, die nun mit Dreifachbrust durch die Welt stolzieren. Ein solch menschenfeindliches Bild, alle Ausländer als Schmarotzer hinzustellen, die unser Sozialwerke missbrauchen, und uns die Arbeitsplätze wegnehmen, ein solch menschenfeindliches Bild zeugt von beschränktem Wissen, wer bei uns welche Arbeit leistet, und wer eine wichtige Stütze für unsere Gesellschaft ist. Ohne Einwanderung wird die Schweiz übrigens aussterben, denn bei einer Kinderquote weit unter 2 ist die Rechnung schnell gemacht. Alles in allem also ein schwarzer Tag für die Schweiz, und ein schwarzer Tag für die wirtschaftlichen Aussichten und für die Schaffung neuer Arbeitsplätze.

Ebenso Fabian Baumann:

Im Gegensatz zu anderen populistischen Abstimmungsentscheiden könnte dieser tatsächlich negative Folgen haben – und zwar für die Schweiz und die Schweizer. Für die potentiellen Arbeitskräfte aus der EU mag der Entscheid zwar unangenehm sein (ökonomisch wie persönlich), aber es gibt immer noch genug andere Länder in denen sie arbeiten können. Die Schweiz hingegen ist auf ausländische Arbeitskräfte und gute Zusammenarbeit mit der EU angewiesen.

Worauf noch fast niemand hingewiesen hat: Je nach dem wie die EU reagiert, könnte es unangenehm werden für Schweizer, die (wie z.B. ich) in der EU wohnen möchten. Da kann alles mögliche kommen, vom Ausschluss aus Erasmus und Stipendienprogrammen bis hin zu erschwerten Aufenthaltsbedingungen. Aber das ist den WutschweizerInnen natürlich egal, die verlassen ihre Agglo-Siedlung ja nur einmal jährlich zum Strandurlaub auf Gran Canaria. […]

Einige Leser, wie auch Theo Hänzi, sehen die Schwierigkeiten, die mit einer Verfassungsänderung auf die Schweiz zukommen:

Das Abstimmungsresultat zeigt einmal mehr, wie mit plumpem Populismus Politik gemacht werden kann. Egal wie das Votum umgesetzt wird, die junge Generation wird sich in nicht allzu ferner Zeit an dieses denkwürdige Abstimmungswochenende erinnern. Sei es, weil der in der Schweiz aufkeimende Nationalismus auf andere, nicht nur europäische Länder übergreifen wird. Junge SchweizerInnen, die im Ausland arbeiten oder studieren wollen, werden dann unweigerlich die Quittung für dieses Verhalten präsentiert bekommen. […] Zukünftige Generationen dürften von uns erwarten, dass wir weitsichtigere Politik machen. Denn nur so lässt sich unser Wohlstand, wenn vielleicht auch in geringerem Masse, auch für unsere Kinder und Kindeskinder erhalten.

Kol Simcha gibt vor allem den Politikern die Schuld:

Die sind jetzt endlich wieder mal zur Urne gegangen. Die wirklichen Rosinenpicker sind die, die dieses Land führen. Unterhalb dieser Schicht sind die Probleme real: Lohndruck, rekordhohe Mieten und die Generation Über-Fünfzig, die stetig aus dem Arbeitsmarkt und in die Sozialhilfe gedrückt wird. Das Schweizer Volk hat beinahe siebzig Prozent seiner Volksvertreter und dem Bundesrat in corpore das Misstrauen ausgesprochen. Gäbe es das in unserem System, es müssten Neuwahlen folgen. Aber eines liesse sich machen: Der Bundesrat, der seit Jahren das Volk an der Nase herumgeführt hat, kann und sollte zurücktreten.

Auch die bei uns kleinere Gruppe der Befürworter beurteilen die Abstimmung unterschiedlich. Die Mehrheit der Stimmen ist sich doch insoweit einig: Man kann 50,03% nicht einfach abtun.

Allerdings weist Dänny darauf hin, dass

50.34% bei ca. 50% Stimmbeteiligung = knapp über 25% der Schweizer

bedeutet.

[…] nur jeder vierte Schweizer hat wirklich JA gesagt zu dieser Initiative. Jedem zweiten Schweizer ist es schlicht egal. Vermutlich weil «die da oben» sowieso machen, was sie wollen. Genau so dürfte es auch dieses Mal herauskommen (siehe z.b. die Alpeninitiative welche 1994 angenommen wurde und heute, 20 Jahre später, immer noch nicht vollumfänglich umgesetzt wurde!). Zum Glück, ist man geneigt zu sagen, ist der Initiativtext auch dieses Mal genügend schwammig formuliert, dass zahlreiche Hintertürchen offenstehen, das ganze nicht so heiss Essen zu müssen, wie es uns die immerselben, ewiggestrigen Populisten eingebrockt haben.

Dem stimmt M Fischer zu: 

Genau so wird es kommen. Das Kontingent für die Zuwanderung bedingt durch die Pfz wird nicht limitiert werden. Auf was es die SVP abgesehen hat, sind die Asylanten, vorläufig Aufgenommenen und die Familien-Nachzügler. Und da die SVP wie geplant die Wirtschaft für diese Anliegen nun in Geiselhaft nehmen konnte, wird sie damit auch reüssieren.

Auch die, die mit «Nein» gestimmt haben, sehen das Ergebnis mitunter als eine Chance an, wie Werner Gysin:

Herr D. Winter, Sie waren sehr schnell zur Hand mit einem meiner Meinung nach etwas pessimistischen Text, bezüglich den künftigen Aussichten, zum Abstimmungsresultat. Ich kann ihnen offen sagen, dass ich Nein gestimmt habe, mich aber das Resultat nicht unglücklich macht. Sicher wird es die Sozialwerke, und hier schmarotzern bekanntlich einige Zugewanderte, entlasten. Die EU und die hier ansässigen Ausländer müssen lernen, mit unseren direktdemokratischen Umgängen und Verhältnissen zu leben und diese zu akzeptieren […]

Peter Epstein stimmt W. Gysin zu, und betont ausserdem:

Eine differenzierte Betrachtung der Sache würde auch einer linken Zeitung gut tun. Ich habe auch ein Nein in die Urne geworfen, aber ich freue mich auf die Zukunft, denn erst jetzt wird es spannend. Was machen wir daraus und was wird geschehen. Und richtig, immerhin werden «wir» nach unserer Meinung gefragt. Also sollten wir auch akzeptieren, dass wir nicht immer auf der «Gewinnerseite» sind. Also, Ruhe bewahren und konstruktiv die Zukunft gestallten. Wir erwarten dies auch von den Rechtsparteien, unabhängig davon ob diese eine Abstimmung gewinnen oder nicht. Vorteil «Links» heute: «Rechts» ist nun in der Verantwortung…

Auch Timm Meier sieht die positiven Seiten einer Annahme der Initiative:

Die Schweiz geht sicher nicht unter wegen diesem Resultat. Das war auch kein Votum gegen alles Fremde. Es geht nur darum, die Kontrolle über die qualitative und quantitative Einwanderung wieder zu übernehmen. Und zwar aus den Händen von Economisuisse und Brüssel. Hier wieder mit Rosinenpickerei etc zu argumentieren, ist etwas gar einfach. Dürfen wir nicht selbst bestimmen, was gut für uns ist? Darf es uns nicht besser gehen als Rest-Europa? Integrieren wir nicht seit Jahrzehnten ziemlich erfolgreich tausende von Migranten – auch lange vor der PFZ? Auch am 6. Dezember 1992 wurde die Zukunft rabenschwarz ausgemalt. Es kam viel besser heraus als erwartet.

Gaby Burgermeister dagegen glaubt, dass sich vorhandene Probleme jetzt noch verschärfen werden:

Mit der Annahme dieser Initiative ist kein einziges der Probleme der Personenfreizügigkeit gelöst, im Gegenteil: Es wird unter anderem deutlich mehr Arbeitslose geben. Denn während schon bis jetzt immer mehr Arbeit ins (billigere) europäische Ausland ausgelagert und damit in der Schweiz Lohn- und Lohnnebenkosten sprich: Stellen eingespart wurden, wird das mit dieser Scheinlösung der SVP noch mehr der Fall sein.

Allerdings nimmt auch sie die Politiker in die Pflicht:

Der Bundesrat, die politischen Parteien und die Wirtschaftsverbände haben, anstatt die durchaus berechtigten Ängste der Bevölkerung ernst zu nehmen und rechtzeitig (nicht erst halbherzig in der letzten Phase des Abstimmungskampfes) Massnahmen zu ergreifen, nur immer damit gedroht, was passieren würde, wenn die Initiative angenommen würde. Das war ein Riesenfehler. Mit einer teuren Kampagne, bei der immer nur die gleichen Bedrohungsszenarien heraufbeschworen werden, liess sich dieser Abstimmungskampf nicht gewinnen. Geld allein reichte nicht gegen die von der SVP zwar geschürten, aber zumindest teilweise berechtigten Ängste, also Emotionen. Ich bin gespannt, welche Erklärungen die SVP ihren Wählerinnen und Wählern auftischen wird, wenn es diesen in einigen Jahren nach der Umsetzung der Initiative nicht besser, sondern schlechter geht.

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