Das neue NEED FOR SPEED könnte ein selbstironisches Retro-Experiment sein. Oder es ist halt wirklich einfach nicht besonders gelungen.
Der Spieltrieb-Blog steht vor einem Test-Marathon. Es stehen an: Fallout 4, Just Cause 3, Tomb Raider, Halo 5, Star Wars – Battlefront und viele mehr. Doch zunächst gibts etwas für die Autofreaks:
Ich erinnere mich mit etwas Wehmut an legendäre Spiele wie Wing Commander oder Command & Conquer. Mit Schauspielern versuchten diese damals, eine Art Film-Feeling für Games zu kreieren. Das Ergebnis war im Grunde meist grauenhaft: Holprige Dialoge, miserable Schauspieler und Ed-Wood-Dekor, wohin man blickte. Fremdschämen für Profis sozusagen.
Die Need-For-Speed-Reihe hat dieses Konzept stets mitgetragen. Im neusten Teil, NEED FOR SPEED, werden die Filmsequenzen gar in den Mittelpunkt gerückt. Das Resultat lässt eigentlich nur zwei Schlüsse zu:
1. Das Ganze ist ein hippes, megaironisches Retro-Experiment.
2. Die Macher haben absolut nichts aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt.
Als ob die Zeit stehen geblieben wäre, sind auch in NEED FOR SPEED die Schauspieler absolut katastrophal. Und die Sets sehen aus, als hätten sie die Schauspieler selbst gefertigt, während sie gleichzeitig das Drehbuch auswendig lernen mussten. Ist man geneigt, die erste Schlussfolgerung zu ziehen, darf man gerne etwas schmunzeln. Neigt man eher zur zweiten, bleibt nur exzessives Fremdschämen und Kopfschütteln übrig.
Brumm oder Bumm
Das Spiel an sich geht eigentlich in Ordnung: In einer fiktiven Grossstadt werden Nachtrennen gefahren, die selbst die Fast-and-Furious-Crew ins Staunen bringen. Hier wird gedriftet und Gas gegeben, bis der Motor explodiert. Das «Räuber und Poli»-Element, das die Serie sonst kennzeichnet, tritt aber leider etwas in den Hintergrund.
Beim neuen NEED FOR SPEED von künstlicher Intelligenz zu sprechen, wäre die falsche Wortwahl. Die Macher bedienen sich einer «Gummiband»-Technologie, die dafür sorgen soll, dass sich die Konkurrenten künstlich dem Können des Spielers anpassen. In der Praxis sieht das so aus: Selbst wenn die Gegner in eine Massenkarambolage verwickelt waren, kleben sie Sekunden später bereits wieder an deiner Stossstange. Offenbar können sie in solchen Situationen plötzlich das Gaspedal bis zum Strassenbelag runterdrücken und die Schallmauer durchbrechen. Umgekehrt brettern die gleichen Geschwindigkeitskünstler völlig unmotiviert in jede Abschrankung der Strecke, sobald man selber im Schneckentempo unterwegs ist.
Was haben die Macher nur zu verbergen?
Abgesehen von den Realfilm-Elementen bewegt sich NEED FOR SPEED grafisch auf solidem, ja sehr gutem Niveau. Leider bekommt man dies nur selten zu Gesicht, da eigentlich alle Rennen entweder in der Dämmerung oder in der Nacht gefahren werden. Immerhin sehen dann die Licht- und Glanzeffekte sehr hübsch aus. Dennoch wird man das Gefühl nicht los, die Macher hätten etwas zu verstecken. Eine bewusste Design-Entscheidung sieht anders aus.
Tja. Es fällt mir schwer, mich für das neue NEED FOR SPEED zu begeistern. Zwar kann man dem Spiel einen gewissen (absurden) Charme nicht absprechen, und auch die Dauernacht mag für Fans illegaler Strassenrennen durchaus einen hohen Realitätsbezug haben. Trotzdem wünsche ich mir das zurück, was das gute alte Need For Speed ausgemacht hat: Viel Action, viele Verfolgungsjagden und abwechslungsreiche Strecken.
Tot ist die Serie aber keinesfalls. Die gute Engine ist vorhanden. Und besinnen sich die Macher im nächsten Teil der Reihe wieder auf alte Wurzeln, bin ich wieder dabei. Für diesen Teil gibts aber nur 6 von 10 Punkten.
Titel: Need for Speed
Plattform: PS4 (Test), XBOX ONE, PC
Spieler: 1-12
PEGI: ab 12 Jahren
Preis: ca. 59 Franken
Das Cover