Vor den anstehenden Heimrennen in Adelboden und Wengen nahm die Swiss-Ski-Führung an einer Medienkonferenz Stellung zur grossen Krise des alpinen Männer-Teams.
Neben Verbandspräsident Urs Lehmann und Leistungssportchef Dierk Beisel nahm am Dienstag in Ittigen BE auch Männer-Cheftrainer Osi Inglin Stellung. Den Fakt, dass sich die Schweizer Männer in der Krise befinden und mit wenigen Ausnahmen höchst enttäuschende Resultate abliefern, bestritt keiner aus diesem Trio. Man sei mit den Resultaten bei den Männern klar nicht zufrieden.
Doch schnelle Lösungen könne es nicht geben, auch nicht im personellen Bereich, so Präsident Lehmann. Dierk Beisel meinte, dass Personaldiskussionen «allenfalls im Frühling» geführt würden: «Ski alpin ist keine Mannschaftsportart wie Fussball oder Eishockey.»
Der grosse Wurf blieb am fast zwei Stunden dauernden Anlass im Haus des Sports in Ittigen aus. Schuldzuweisungen gab es auch keine zu hören. Auf der Suche nach Erklärungen für die unbefriedigende Situation wurde über das neue Material, die Grösse der Trainingsgruppen, die Verletztensituation und die Infrastruktur ebenso ausführlich doziert wie über die Tatsache, dass ein Problem beim Übergang vom Nachwuchs und den unteren Stufen in den Weltcup besteht.
Lehmanns Albtraum
«Wenn wir wüssten, weshalb es diesen Bruch in der Athleten-Pipeline gibt, dann würden wir es ändern», sagte Ex-Weltmeister Lehmann. Der Swiss-Ski-Präsident hatte am Wochenende im Gespräch mit der «NZZ am Sonntag» (online nicht verfügbar) eingeräumt, dass er sich magere 349 Weltcuppunkte in der Nationenwertung Ende Dezember «nicht einmal im Albtraum hätte ausmalen können».
Lehmann hatte in diesem Interview erklärt, vor den Berner Oberländen Skiwochen eine Trainerdiskussion anzetteln zu wollen, käme für ihn einer «Bankrotterklärung» gleich. «Bei uns kann man nicht sagen: Judihui, mit einem neuen Trainer wird alles besser. Ich kann mich nicht erinnern, dass das im Skirennsport jemals funktioniert hätte.» Als hilfreich wertet der Präsident, dass dem Männerteam punktuell der Altmeister Karl Frehsner zu Seite gestellt wurde.
Lehmann verteidigt die Politik von Swiss Ski, den jungen Trainern im Verband Perspektiven geboten zu haben, relativierte jedoch gleichzeitig: «Es wist wichtig, dass sie gefördert werden und ihre Chance erhalten, aber im Weltcup will ich die besten Trainer der Welt, egal, woher sie kommen.»
«Stärker denn je»
Die Personal-Spekulationen übernehmen andere. Der «Blick» bringt anstelle von Roland Platzer als neuen Abfahrtstrainer Patrice Morisod ins Gespräch, den Vorgänger und derzeit bei den Franzosen beschäftigt. Ausserdem wird Andreas Evers gehandelt, der Österreicher, der einst die Hermann Maier und Michael Walchhofer schnell gemacht hat und zur Zeit im US-Team im Sold steht.
Urs Lehmann schaut stattdessen lieber auf auf Weltranglisten der Junioren, wo die Schweiz die meisten Fahrer unter den Top 15 hat. In der Nachwuchsarbeit sieht er die Schweiz ebenbürtig zu Österreich. «Mittelfristig habe ich keine Bedenken. Wenn das Konzept wie erwartet funktioniert, werden wir vielleicht stärker denn je.»
Hoffen auf den platzenden Knoten
Doch vorerst regiert das Prinzip Hoffnung. In Adelboden, wo am Samstag der Riesenslalom und am Sonntag der Slalom stattfindet, und eine Woche später in Wengen hofft Cheftrainer Inglin auf einen «Exploit» und Präsident Lehmann darauf, dass «sich der Knoten löst.»
Zeit wäre es. In vier Wochen beginnen die Weltmeisterschaften in Schladming. Erst drei Fahrer – Didier Défago, Markus Vogel und Patrick Küng – sind qualifiziert, mit der Nomination will sich Swiss Ski bis zum 30. Januar nach den Rennen in Kitzbühel Zeit lassen. «Wir gehören sicher nicht zu den Favoriten», sagt Inglin mit realistischem Blick, er sagt aber auch: «Wir geben uns sicher nicht jetzt schon geschlagen.»