Breel Embolo ist zurück in Basel. Das ist das Läckerli, das dem Publikum zum letzten Heimspiel der Nationalmannschaft in der WM-Qualifikation gereicht wird. Über 32’000 Zuschauer werden am Samstag (20.45 Uhr) im St.-Jakob-Park gegen Ungarn dabei sein.
Ziemlich exakt ein Jahr nach seiner prekären Verletzung – Bruch des Sprunggelenks, des Wadenbeins, eine Bänderschädigung und obendrein ein Knochenödem während der Rehabilitationszeit – ist der Bundesliga-Profi Embolo drauf und dran, bei Schalke 04 wieder den Anschluss zu schaffen.
Und etwas mehr als ein Jahr ist vergangen, seit der noch gesunde Embolo den Startschuss gab zu einer bisher nicht dagewesenen Qualifikationskampagne. Sein Tor zum 1:0 ebnete am 6. September 2016 den Weg zum 2:0-Erfolg über Portugal. Der frisch gebackene Europameister wurde ohne seinen Hauptdarsteller Cristiano Ronaldo in Basel kalt erwischt, schien aber nicht sonderlich beunruhigt zu sein.
Das 2:0 gegen Portugal in der Zusammenfassung:
Anschliessend hat Portugal zwar alle Spiele gewonnen, mit Ronaldo und mithilfe seiner 14 Tore. Doch die Schweiz hat ebenso sämtliche Dreier geholt. Auch ohne Embolo und ohne nennenswerte Leistungseinbrüche in einer allerdings nicht besonders komplizierten Gruppe. Und so macht man sich in Portugal nun doch Sorgen um die WM-Teilnahme. Zumindest eine ohne Umweg über die Barragespiele.
Kein Schlendrian, nirgends
Verliert die Schweiz auch am Samstag gegen Ungarn nicht, während Portugal seine Nebenbei-Pflichtaufgabe in Andorra erledigt, dann reicht am Dienstag in Lissabon schon ein Unentschieden und die Schweizer Nationalmannschaft wäre zum vierten Mal hintereinander bei der Weltmesse des Fussballs dabei. Das hat sie in ihrer 112-jährigen Länderspielgeschichte noch nie geschafft.
Das erklärt vielleicht auch, wieso ein Anflug von gesteigerter Begeisterung um die «Nati» weht. Ihr Selbstvertrauen ist gewachsen, ihr Trainer Vladimir Petkovic strahlt Ruhe und Selbstsicherheit aus und Nationalgoalie Yann Sommer nennt die Mannschaft einen «Kraftort». Im Interview mit der «NZZ am Sonntag» wurde der Hobbymusiker Sommer gefragt, was für einen Song er über diese WM-Qualifikation komponieren würde. «Es wäre ein sehr fröhlicher Song», mutmasste Sommer, «ein harmonisches Lied mit einem schönen Flow.»
Die Hochbegabten-Jahrgänge, die Shaqiris, Sommers, Xhakas und Rodriguez’, haben sich bei Topclubs in Europa etabliert, sie spielen bei Juventus oder Milan, für Arsenal, Dortmund oder Mönchengladbach und haben in dieser WM-Qualifikation vor allem eines demonstriert: Fokussierung. Kein Schlendrian, nirgends.
Petkovic auf Hitzfelds Fersen
Sieben Siege in Folge wie zuletzt sind noch keiner Schweizer Nationalauswahl in der Geschichte von 777 Länderspielen gelungen. Nach der Testspiel-Niederlage gegen Belgien im Vorfeld der EM in Frankreich hat diese Mannschaft seit 14 Spielen nicht mehr in der regulären Spielzeit verloren.
Das hat sie in der Weltrangliste der Fifa bis auf Platz 4 gespült (August), und aktuell wird die Schweiz als Siebter geführt. Und auch wenn die Aussagekraft dieses Rankings angezweifelt werden darf, so hat die jüngste Weiterentwicklung doch so überzeugend gewirkt, dass der Schweizerische Fussballverband (SFV) den Vertrag mit Nationaltrainer Vladimir Petkovic vorzeitig verlängert hat. Gelingt auch die Qualifikation für die EM 2020, dann wäre Petkovic so lange im Amt wie sein Vorgänger Ottmar Hitzfeld.
Die anfängliche Skepsis und die Vorbehalte, die der Zuwanderer Petkovic zu spüren bekommen hatte, sind längst verflogen. Sein Misstrauen, dass er hier und da ausstrahlte auch. Inzwischen sind es Superlative, die der 54-Jährige und seine Mannschaft zu hören und zu lesen bekommen.
Dieser für den unterhaltenden Teil der Fussballbranche nicht unübliche Stimmungsumschwung ist dem Nationalcoach, so sagt man in seinem Umfeld, sogar ein bisschen unheimlich. Er sagte zu seiner Vertragsverlängerung aber auch sehr bestimmt: «Ich spüre die Lust, die Freude und den Willen, gemeinsam etwas Grosses zu erreichen.»
Verbessert, aber noch nichts erreicht
Gedanken an ein Scheitern im letzten Moment sind da fern. Und doch so naheliegend. In Lissabon haben auch schon andere, grössere Kaliber den Kürzeren gezogen; wenn Cristiano Ronaldo einen seiner besseren Tage einzieht, kann das auch eine sattelfeste Verteidigung überfordern. Sollte das passieren, dann müsste die Schweiz Anfang November in die beiden Barragespiele, wäre dort dank ihres Rankings zwar gesetzt, aber den Unwägbarkeiten dieser K.o.-Spiele ausgesetzt.
Die mahnenden Stimmen sind zuletzt von den lauten Schlagzeilen übertönt worden. Nach den beiden glatten 3:0-Siegen im September über Andorra und Lettland bezeichnete die «NZZ» die Rekordserien als «gefährliches Blendwerk». Und Mittelfeldstratege Granit Xhaka urteilte: «Wir haben uns als Mannschaft verbessert, aber wir haben noch nichts erreicht.»
Wunderdinge sind von Embolo noch nicht zu erwarten
Ob Breel Embolo in den Überlegungen des Trainers bereits wieder eine tragende Rolle spielt, liess Vladimir Petkovic in den letzten Tagen offen. Wunderdinge sind vom 20-Jährigen noch keine zu erwarten. Aber den Mann, der den Türöffner in dieser Kampagne spielte und die nächste, nachdrängende Generation verkörpert, in der Hinterhand zu haben, könnte nicht gegen Ungarn, aber dann am Dienstag in Lissabon vielleicht von Bedeutung sein.
Die Ungarn: Alles verspielt und nichts zu verlieren
Als eines der Überraschungsteams der EM in Frankreich war der Achtelfinalist Ungarn in die WM-Qualifikation gestartet, nun stehen sie wie geprügelte Hunde da. Dass der deutsche Nationaltrainer Bernd Storck die desaströse 0:1-Niederlage in Andorra überdauert hat, ist die nächste Überraschung. Jetzt baut er die international unerfahrene Mannschaft tüchtig um und freut sich auf das Spiel «gegen das Weltklasse-Team der Schweiz vor einer tollen Kulisse in Basel».
Die Schweiz: Ein paar Fragezeichen in der Startelf
Mit einem Sieg über Ungarn und dem daraus resultierenden «Schwung und Positivismus», wie es Vladimir Petkovic nennt, will der Schweizer Nationaltrainer die Reise am Sonntag nach Lissabon antreten. Wie er für den Samstagabend im St.-Jakob-Park disponiert, vor allem, wie er den verletzten Valon Behrami und dessen Leaderqualitäten kompensieren will, darüber hüllt sich der Coach in Schweigen. Ebenso, ob er einen der gelb-gefährdeten Spieler gegen Ungarn zu schonen gedenkt.
Naheliegend wäre, dass er den Linksverteidiger Ricardo Rodriguez ersetzt durch Jacques-François Moubandje, vielleicht auch Flügelstürmer Admir Mehmedi durch Steven Zuber. Da er aber das eingespielte Gefüge nicht komplett auf den Kopf stellen will, könnte Blerim Dzemaili seinen Startplatz behalten. Wie auch immer – Xherdan Shaqiri, der am Dienstag beim Showdown in Lissabon seinen 26. Geburtstag feiern wird, trug am Freitag das Mantra dieser Mannschaft vor: «Wir glauben an uns und wissen, was wir zu tun haben.»
Eine mögliche Schweizer Aufstellung (4-2-3-1):
Sommer – Lichtsteiner, Schär, Djourou, Moubandje – Freuler, Xhaka – Shaqiri, Dzemaili, Zuber – Seferovic. – Bemerkungen: Behrami und Bürki fehlen verletzt; Gelb-gefährdet: Rodriguez, Dzemaili, Mehmedi und Lang