Just der zuletzt stark aufspielende Jakub Blaszczykowski verschiesst im EM-Viertelfinal seinen Penalty. Polen fährt nach Hause, Portugal ist ohne einen einzigen Sieg nach 90 oder 120 Minuten weiter.
Cristiano Ronaldo näherte sich von hinten, als Robert Lewandowski gerade Interviews gab und das polnische Scheitern im EM-Viertelfinal analysierte. Der oft so unnahbar-abgehoben wirkende Ausnahmestürmer der Portugiesen legte seinen Arm um die Schulter des Bundesliga-Torschützenkönigs und umarmte den traurigen Bayern-Profi.
«Das tut sehr weh», gab Lewandowski nach der 3:5-Niederlage im Penaltyschiessen unumwunden zu. «Wir haben kein Spiel bei diesem Turnier verloren und sind jetzt weg. Und die andere Mannschaft hat kein Spiel gewonnen und steht jetzt im Halbfinal.»
Trotz aller Traurigkeit müssen sich die Polen aber Fragen gefallen lassen. Im Achtelfinal gegen die Schweiz und auch jetzt gegen Portugal ging die Mannschaft von Adam Nawalka jeweils in Führung. Sie tat danach aber abgesehen von Ergebnisverwaltung zu wenig. Das galt auch für Lewandowski: Nach seiner Vier-Spiele-Torlos-Phase traf der Goalgetter von Bayern München zwar endlich und brachte Polen in der 2. Minute in Führung. Doch auch er tauchte nach dem Wechsel unter.
Und weil sein künftiger Bayern-Kollege Renato Sanches ausglich und sein früherer Dortmunder Mitspieler Jakub Blaszczykowski im Penaltyschiessen an Rui Patricio scheiterte, entschieden die Portugiesen das Duell der Minimalisten für sich.
Während Lewandowski sich den Fragen stellte, schlich der traurige Blaszczykowski wortlos aus dem Stade Vélodrome. Der von Borussia Dortmund an Fiorentina ausgeliehene 30-Jährige spielte lange Zeit eine starke EM und glänzte als zweifacher Torschütze. Gerne würde er in der kommenden Saison wieder nach Dortmund zurückkehren und unter Trainer Thomas Tuchel einen neuen Anlauf an alter Wirkungsstätte starten. Doch ob Tuchel und der BVB das auch wollen, ist fraglich.
Gegen Portugal jedenfalls gelang keine Eigenwerbung mehr. Im Zusammenspiel mit Lukas Piszczek klappte auf der rechten Seite nicht viel – und dann verwertete er auch seinen Penalty nicht. Von seinen Mitspielern gab es keine Vorwürfe, im Gegenteil. Sofort nach dem Fehlschuss spendeten die Kollegen aufmunternden Applaus.
Als Ricardo Quaresma anschliessend den fünften portugiesischen Schuss verwandelte, liess sich «Kuba» auf den Rücken fallen und kauerte deprimiert im Mittelkreis. Selbst beim Gang vor die Fankurve schüttelte Blaszczykowski immer wieder den Kopf und griff sich fassungslos in die Haare.
«Penaltyschiessen sind immer eine Lotterie. Das verliert nie ein Spieler allein», tröstete Captain Lewandowski. «Er ist ein starker Mensch. Er hat in seinem Leben schon schwierigere Situationen weggesteckt», sagte Piszczek. Unter anderem hat Blaszczykowski in einem Buch aufgearbeitet, wie er als 10-Jähriger Zeuge war, als sein Vater die Mutter erstach.
Lewandowskis Blick voraus
Lewandowski fühlte Stolz, obwohl sein Team an Portugal gescheitert war. «Das war trotzdem eine historische Leistung für den polnischen Fussball», sagte Lewandowski nach dem ersten polnischen Viertelfinal der EM-Geschichte. Er liess mit seinem Treffer nicht nur die Kritiker verstummen. Er war auch Wort- und Anführer auf dem Feld und in den Katakomben.
«Davon müssen wir uns jetzt erholen», forderte Lewandowski. «Es sind ja nur drei Monate, bis wieder die WM-Qualifikation beginnt. Wir haben eine sehr schwierige Gruppe. Aber wir haben auch grosses Potenzial in dieser Mannschaft.» Nur: Davon hätten die Polen gegen Portugal noch mehr zeigen müssen. Die Gegner in der WM-Qualifikationsgruppe E heissen ab dem 4. September Rumänien, Dänemark, Montenegro, Armenien und Kasachstan.