Das Wahllokal ist eine Kirche

Der Tag der republikanischen Vorwahl auch in Ohio, der «Super Tuesday», ist gekommen. Im Wahllokal, das sich merkwürdigerweise in einer Kirche befindet, war der Publikumsverkehr rege, wenn auch nicht überwältigend, obwohl ich zur Mittagszeit da war. Es gibt eben nicht viel, das einen anläßlich dieses Stimmzettels motivieren würde: Seit Wochen fiebern wir hier in Ohio […]

Ein bisschen Patriotismus schadet nichts.

Der Tag der republikanischen Vorwahl auch in Ohio, der «Super Tuesday», ist gekommen.

Im Wahllokal, das sich merkwürdigerweise in einer Kirche befindet, war der Publikumsverkehr rege, wenn auch nicht überwältigend, obwohl ich zur Mittagszeit da war.

Es gibt eben nicht viel, das einen anläßlich dieses Stimmzettels motivieren würde: Seit Wochen fiebern wir hier in Ohio dem ziemlich antiklimaktischen Tag entgegen, an dem wir uns aus einer Handvoll schlechter Bewerber den am wenigsten schlechten aussuchen können. Obwohl für jeden einzelnen viel auf dem Spiel steht, haben sie sich bestenfalls in den größeren Städten blicken lassen – Newt Gingrich war in Cleveland bei irgendeiner Firma, Rick Santorum im „Herzen der amerikanischen Politik“ (wo der Mann das bloß her hat?) in Chillicothe, Mitt Romney bei einem Dinner irgendwo.

Diejenigen von uns, die abseits des Weges in der Pampa wohnen, wurden bestenfalls mit «Robocalls» – automatisierten Anrufen – bombardiert, wie etwa eine Freundin von uns noch heute, obwohl sie als Demokratin registriert ist und nicht mal wählen darf in diesen Primaries. Anruf-Werber Santorum muß wohl gedacht haben, was schon in Michigan so schön funktioniert hat, funktioniert in Ohio vielleicht auch. Schade nur, daß man eine eidesstattliche Erklärung abgeben muß, wenn man seine Parteizugehörigkeit am Wahltag ändern will, und die meisten registrierten Demokraten sich das nie geben würden.

Ja, sie wollen alle gerne gewählt werden, aber hier kommt niemand persönlich vorbei. Und das, obwohl Wooster, OH, schließlich der Hauptort von Wayne County (der Landkreis, in dem wir leben) ist: Streng republikanisch – in den meisten Wahlen gibt es nicht mal demokratische Gegenkandidaten.

Das einzige Mal, daß ich einen Politiker mit nationalem Bekanntheitsgrad hatte hier durchfahren sehen, war vor ein paar Jahren George W. Bush im Wahlkampf um seine 2. Amtszeit. Einer in 16 Jahren.

In den aktuellen Vorwahlen werden uns wenigstens Leute geboten, die Englisch können, auch wenn sich das Ganze wie ein Kasperletheater anfühlt.

Das Kasperle wird gegeben von Mitt Romney, dem Multimillionär, der immer wieder so freudsche Ausrutscher bringt wie den, daß er zwar kein Nascar-Fan sei, aber ein paar seiner Freunde Teams besäßen. Jetzt weiß ich endlich, was ich mit meiner nächsten Million machen werde.

Newt Gingrich ist der Räuber und immer für eine unsachliche Verbalattacke gut. Außerdem darf man gespannt sein, wen er als nächstes heiratet, während er gleichzeitig „Familienwerte“ predigt.

Rick Santorum ist der Wachtmeister, der uns nicht nur allen Gott näher, sondern auch Religion in die Regierung bringen möchte.

Und last but not least gibt es die Gretel, auch bekannt als Ron Paul, den ewigen Gegenkandidaten. Die anderen werden/wurden konsequent totgeschwiegen, und so schließe ich mich dem an.

Wen um Gottes Willen soll ich da wählen?

Ich habe Ron Paul gewählt, und zwar aus einem einzigen Grund: Er ist zwar der ewige Gegenkandidat, aber in einem Zweiparteiensystem wie dem amerikanischen kann man schliesslich nur eine Protestwahl treffen, wenn einen keiner sonst passt.

Viele Leute, die ich hier kenne, fühlen sich politisch nicht repräsentiert, selbst wenn sie in der einen oder anderen Partei registriert sind. Sogenannte «one-issue voters», also Leute, denen nur ein Thema wichtig ist, wählen dann Santorum, weil der gegen Schwulenehe und Abtreibung ist. Der Rest grübelt.

Schließlich wählt man entweder das kleinere Übel, oder aus Protest jemanden, auch wenn man weiß, daß er keine Chance hat. Und das war für mich Ron Paul. Was ich in der Wahl im November machen werde, weiß ich noch nicht.

Kommt Zeit, kommt Rat.

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