Community-Mitglied Marcus Tschudin wollte sich über eine Baustelle vor seinem Haus erkundigen – und verfing sich in der Endlosschleife der Bürokratie.
Am Brunngässlein, in dessen Nähe ich wohne, wird zurzeit gebaut. Presslufthämmer rattern, Bauschutt und Armierungseisen krachen in rostige Mulden, Beton wird mit Wasserhochdruck abgespitzt. Der Lärm ist ohrenbetäubend. Gefühlte 300 Dezibel. Als ich in besagtem Gässlein kürzlich einen Bekannten antraf, waren wir gezwungen, uns in Zeichensprache zu verständigen. Reden in normaler Lautstärke: sinnlos. Hören, was das Gegenüber sagt: unmöglich.
Ich wollte wissen, was dort geht und ob allenfalls Lärmgrenzwerte überschritten werden. Rief deshalb das Tiefbauamt an. Dort nahm nach längerem Klingeln eine Dame ab, die zunächst nichts wusste von einer Baustelle am Brunngässlein. Sie machte sich dann aber kundig und riet mir, Herrn N. anzurufen. Der sei für diese Sache zuständig und könne mir sicher weiterhelfen.
«Diese Nummer ist ungültig», teilte mir eine ungerührte Frauenstimme auf Band mit.
Ich rief Herrn N. an. Selbiger liess mich wissen, er sei in dieser Sache nicht zuständig. Das sei vielmehr die Allmendverwaltung. Er gab mir eine Telefonnummer. Über diese könne man mir sicher weiterhelfen.
Ich rief die von Herrn N. genannte Nummer an. «Diese Nummer ist ungültig», teilte mir eine ungerührte Frauenstimme auf Band mit.
Ich rief die erwähnte Dame vom Tiefbauamt an und informierte sie über den telefonischen Fehlschlag. Nach kurzem Tippen auf ihrem Computer versorgte sie mich mit einer weiteren Telefonnummer bei der Allmendverwaltung. Über diese könne man mir sicher weiterhelfen.
Ich rief an. Am andern Ende meldete sich eine zweite Dame, die mir nach dem Vorbringen meines Anliegens mitteilte, eigentlich sei nicht die Allmendverwaltung für die lärmige Brunngässleinbaustelle zuständig, sondern das Bauinspektorat. Sie nannte mir eine Telefonnummer. Über diese könne man mir sicher weiterhelfen.
Herr B. ist nur zwischen zehn und elf Uhr vormittags erreichbar.
Ich rief an. Eine dritte Dame hörte sich meinen Kummer an und verkündete, in dieser Angelegenheit sei Herr B. zuständig. Der sei aber jeweils nur zwischen zehn und elf Uhr vormittags erreichbar, und jetzt sei schon elf Uhr fünfzehn. Ich solle doch am nächsten Tag anrufen. Er könne mir sicher weiterhelfen.
Ich rief am nächsten Tag zwischen zehn und elf Uhr an und verlangte Herrn B. zu sprechen. Der sei diese Woche an einem Kurs, informierte man mich. Worum es denn gehe. Ich schilderte mein Begehren. Dafür sei ihres Wissens nicht Herr B. zuständig, sondern Herr H., erfuhr ich. Der sei jedoch im Moment nicht verfügbar. Ich solle es doch am nächsten Tag nochmals versuchen, und zwar über die Direktwahl X. Er könne mir sicher weiterhelfen.
Ich rief anderntags an und äusserte den Wunsch, Herrn H. zu sprechen. Der sei zurzeit leider nicht im Büro, beschied mir die vierte Dame am andern Ende der Leitung. Er sei grad an einer Abnahme. Sie frage sich aber, ob in dieser Sache nicht ohnehin das Justiz- und Sicherheitsdepartement zuständig sei. Dort könne man mir sicher weiterhelfen.
Ich lästiger Störenfried wurde in die Resignation getrieben.
Seither sind gute zwei Wochen ins Land gegangen. Ich bin müde geworden, mag nicht mehr und gebe mich geschlagen. Das war ja wohl auch die Absicht der kontaktierten Amtsstellen: Die bürokratische Endlosschleife, in die ich geschickt wurde, hat erfolgreich bewirkt, mich lästigen Störenfried in die Resignation zu treiben und mundtot zu machen. Und so lange hinzuhalten, bis der Brunngässleinbau fertiggestellt ist und die leidige Sache sich damit von selbst aufs Eleganteste erledigt hat.
Der Presslufthammer- und Muldenkracherlärm an besagtem Gässlein dauert an. Locker übertönt wird er allerdings vom höhnischen Wiehern des Amtsschimmels.