Der eidgenössische Datenschutzbeauftragte Hanspeter Thür hat bei den Banken interveniert, die Mitarbeiterdaten an die USA lieferten. Er droht damit, beim Bundesverwaltungsgericht vorsorgliche Massnahmen zu beantragen. Finanzministerin Widmer-Schlumpf verteidigt die Datenherausgabe.
„Ich habe grosse Zweifel daran, ob die Herausgabe der Mitarbeiterdaten rechtens war“, sagte Thür in einem Interview, das am Mittwoch im „Tages-Anzeiger“ und im „Bund“ erschienen ist.
Die Bundesanwaltschaft hatte vor wenigen Tagen bekannt gegeben, dass die Herausgabe der Mitarbeiterdaten vorderhand kein Strafverfahren zur Folge hat. Zu dieser strafrechtlichen Beurteilung habe er nichts hinzuzufügen, sagte Thür im Interview. Doch zivilrechtlich sei die Sache damit nicht vom Tisch.
Der Datenschützer hat deshalb Ende letzter Woche den elf betroffenen Banken einen Brief geschrieben. Darin sei ihnen eröffnet worden, dass er zur Überprüfung der Rechtmässigkeit der Datenübermittlung eine Sachverhaltsabklärung durchführe. „Bis zum Vorliegen des Ergebnisses verlangen wir, dass die Banken keine weiteren Mitarbeiterdaten an die USA liefern“, sagte Thür. Es sei denn, gegen einen Mitarbeiter laufe ein Strafverfahren.
„Bundesratsbeschluss nie gesehen“
Die Banken sollen noch in dieser Woche einen umfangreichen Fragenkatalog erhalten. Darin müssen sie Auskunft geben darüber, welche Daten sie mit welcher Rechtfertigung an die USA geliefert haben. Zudem müssen sie sicherstellen, dass keine weiteren Daten herausgegeben werden, bis die Rechtmässigkeit geklärt ist.
Sollten die Banken dieser Forderung nicht nachkommen, so warnt Thür: „Wir haben die Möglichkeit, beim Bundesverwaltungsgericht vorsorgliche Massnahmen zu beantragen.“ Dieser Schritt werde er nach Durchsicht der Antworten prüfen.
Die Banken berufen sich bei der Datenherausgabe auf einen Bundesratsbeschluss, der diesen Vorgang erlaubt. Thür entgegnet, er habe „diesen geheimen Bundesratsbeschluss bis heute nicht gesehen“.
Seinen Informationen zufolge sei den Banken klar gemacht worden, dass das Abwägen der zivilrechtlichen Verantwortung Sache der Banken bleibe. „Deshalb entlastet nach meinem heutigen Kenntnisstand der Bundesratsbeschluss die Banken höchstens in strafrechtlicher Sicht, nicht aber in zivilrechtlicher.“
Angst vor weiteren Wegelin-Fällen
Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf verteidigt die Linie des Bundesrats in einem Interview mit den Westschweizer Zeitungen „24 heures“ und „Tribune de Genève“. „Was wäre die Alternative gewesen?“, fragte sie. „Was wäre geschehen, wenn wir es den Banken verboten hätten zu kooperieren, und sie sich in diesem Verfahren nicht hätten verteidigen können?“
Wenn der Bundesrat die Datenherausgabe verweigert hätte, wäre er das Risiko eingegangen, Arbeitsplätze zu zerstören, sagte Widmer-Schlumpf. Der Fall der St. Galler Privatbank Wegelin hätte sich ihrer Einschätzung nach zwei- oder dreimal wiederholen können. Wegelin war wegen des Drucks aus den USA vor kurzem mit Ausnahme des US-Geschäfts an die Raiffeisengruppe verkauft worden.