Während er in den USA auf Reisen ist, steht Grossbritanniens Premierminister Cameron zu Hause unter Druck. Mehr als 100 Abgeordnete seiner konservativen Tories gingen ihm bei einer Abstimmung zur Europapolitik von der Fahne – nicht zum ersten Mal.
Die erklärten Europaskeptiker hatten eine Eingabe ins Parlament eingebracht, mit der sie ihr «Bedauern» über die jüngste Regierungserklärung von Camerons Kabinett zum Ausdruck brachten. In der von Queen Elizabeth II. vergangene Woche verlesenen Erklärung fehlte die Ankündigung eines Referendums über einen britischen EU-Austritt. Dies hatte Cameron im Januar mündlich in Aussicht gestellt.
Das Votum, bei dem insgesamt 130 Parlamentarier für die Eingabe gestimmt hatten, hat keine bindenden Wirkung. Es wird aber nicht nur als Stimmungstest in Sachen Europa gewertet. Die Tatsache, dass rund ein Drittel der Tory-Fraktion im Unterhaus gegen Cameron stimmte, wird auch als klares Zeichen für die Schwäche des Regierungschefs gedeutet.
Es war bereits die mindestens vierte Rebellion gegen Cameron bei einer Abstimmung zu wichtigen Themen im Parlament in den vergangenen zwölf Monaten. Unter anderem bei Abstimmungen zu Europa, zur Reform des Oberhauses und zur Homo-Ehe hatte der rechte Tory-Flügel seinen Premierminister ebenfalls auflaufen lassen. Der zurückliegende Aufstand der Anti-Europäer unter den Tories konnte jedoch nur 81 Stimmen hinter sich versammeln.
Cameron Auf Reisen
Cameron bereist derzeit die Vereinigten Staaten und wirbt dort unter anderem für ein Handelsabkommen zwischen den USA und der Europäischen Union. Im Parlament wurde er am Mittwoch von seinem Stellvertreter Nick Clegg vertreten – einem europafreundlichen Liberaldemokraten.
Cameron hatte unmittelbar vor dem Showdown im Parlament noch versucht, den Europakritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Am Dienstag stellte er einen sehr knapp gehaltenen Gesetzesentwurf vor, der die Modalitäten eines Referendums regeln soll. Dies ging den Kritikern aber nicht weit genug.
Labour-Parteichef Ed Miliband warf Cameron vor, er habe «komplett die Kontrolle über seine Partei verloren». «Dies ist nicht mehr nur eine Debatte zu Europa, sondern auch über David Camerons schwache Führung seiner Partei», sagte der Oppositionsführer. Labour-Vize Hariet Harman sagte, Cameron werde «sehr schnell zur Witzfigur».
Cameron selbst zeigte sich entspannt. Ein neues Verhältnis Grossbritanniens zur EU auszuarbeiten, erfordere ein gewisses Mass an Diskussionen, sagte er. Führende Mitglieder seiner Partei trauen ihm die Neuverhandlungen nicht zu. Ein Erfolg sei «sehr unwahrscheinlich», hatte der frühere Finanzminister Nigel Lawson in der vergangenen Woche erklärt und damit den Führungsstreit ausgelöst.