Neues Ärgernis für Euro-Retterin Merkel: Sie kann ihren in Europa durchgeboxten Fiskalpakt in Deutschland vorerst nicht in die Praxis umsetzen. Die Bundesländer stellen sich quer.
Die Opposition nutzte am Freitag ihre neue Mehrheit in der Länderkammer und lehnte ein entsprechendes Gesetz ab. Die Bundesländer fordern mehr Geld vom Staat als Ausgleich für Belastungen aus dem Fiskalpakt. Nun müssen Bundestag und Bundesländer im Vermittlungsausschuss nach einem Kompromiss suchen.
Das Regelwerk für mehr Haushaltsdisziplin und Schuldenbremsen wurde bisher in 12 der 25 beteiligten EU-Staaten ratifiziert und ist damit formal in Kraft. Zwei der 27 EU-Länder – Grossbritannien und Tschechien – machen nicht mit.
Schlappe für Regierung
Für Merkel ist die Hängepartie unangenehm, weil der Fiskalpakt ihre Handschrift trägt und als wesentlicher Baustein zur Stabilisierung der Euro-Zone gilt. In den südlichen Krisenländern dürfte aufmerksam registriert werden, dass ausgerechnet „Sparkommissar“ Deutschland bei der Umsetzung spät dran ist.
Die Bundesregierung reagierte dementsprechend verschnupft. Aussenminister Guido Westerwelle nannte den Beschluss des Bundesrats „sehr bedauerlich“. Das Finanzministerium erklärte, das Verhalten der Länder sei völlig unverständlich. Deutschland habe jahrelang für den Fiskalpakt in Europa gekämpft, der ein klares Bekenntnis gegen neue Schulden und für ordentliche Staatshaushalte sei.
Es geht ums Geld
Nach dem politischen Kompromiss im Vorjahr versuchten die Bundesländer nun, den Fiskalpakt an finanzielle Forderungen zu koppeln. „Wir appellieren an die europapolitische Verantwortung der Bundesländer und hoffen, dass wir schnell eine Lösung finden“, sagte Ministeriumssprecher Martin Kotthaus.
Der rheinland-pfälzische Finanzminister Carsten Kühl betonte dagegen, die Bundesregierung habe bei der Fiskalpakt-Einigung im vergangenen Sommer den Ländern verbindliche Zusagen gemacht und halte diese nicht ein. „Das hat nichts mit Blockadehaltung zutun. Wir wollen Planungssicherheit“, sagte der Sozialdemokrat.
Als Kompensation für finanzielle Lasten beim Fiskalgesetz wollen die Bundesländer vom Staat zwischen 2014 und 2019 eine Aufstockung der jährlichen „Entflechtungsmittel“ von etwa 2,5 Milliarden auf 3,5 Milliarden Euro, die für den kommunalen Strassenbau, Hochschulen, Wohnraumförderung oder Kindertagesstätten ausgegeben werden sollen.
Sachsens christdemokratischer Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) kritisierte den Beschluss seiner Länderkollegen: „Wir sollten die Bundesregierung auf europäischer Ebene nicht schwächen.“ Es sei ein schlechtes Signal an Europa, wenn Deutschland bei der Umsetzung des Fiskalpaktes in nationales Recht hinterherhinke.