Degens

Der Zürcher Journalist Christian Nill hat mit den Degen-Brüdern ein Gespräch geführt, in dem die Baselbieter Fussballzwillinge mehr offenbaren, als ihnen später Recht ist. Nun droht der Anwalt mit Klage – weil Nill darauf bestanden hat, das Interview ungeschönt wiederzugeben.

Der Zürcher Journalist Christian Nill hat mit den Degen-Brüdern ein Gespräch geführt, in dem die Baselbieter Fussballzwillinge mehr offenbaren, als ihnen später Recht ist. Nun droht der Anwalt mit Klage – weil Nill darauf bestanden hat, das Interview ungeschönt wiederzugeben.

Es ist eines der grossen Dilemmas der Branche: Führt ein Journalist ein Interview, wird ihm mitunter so aufregender Stoff ins Aufnahmegerät geplappert, dass die Äuglein zu glänzen beginnen und er lustig zu glucksen beginnt. Nur um im nächsten Augenblick in den Stuhl zu sacken, wenn ihm gewahr wird: der Befragte wird vor dem Abdruck alle kritischen Aussagen zurechtschleifen, abschwächen, relativieren. So der Interviewte ausser Stande ist, sich selber in ein besseres Licht zu manövrieren, überträgt er die Aufgabe gerne dem Lohnschreiber. 

Diese Erfahrung hat nun der Zürcher Gastro-Journalist Christian Nill gemacht, der auf seiner Website Bar-Storys.ch mit Promis aller Gattungen lange Gespräche führt und dabei das eine oder andere hervorlockt, was die Befragten im Nachgang bereuen.

Nill hat sich dabei auf das journalistische Tätigkeitfeld begeben mit der rigidesten Imagekontrolle: den Sport. Er hat die Basler Fussballprofis Philipp und David Degen zum Bargespräch in der Zürcher In-Beiz Schmuklerski getroffen. Das Gespräch entwickelte sich in die gewünschte Richtung und irgendwann raunte ihm David Degen zu: «Ich muss sagen, Sie stellen hochwertige Fragen.» Philipp fügte an: «Hochstehend. Hochstehend.» Man kann das nachlesen auf Nills Website, wo das Interview in voller Länge publiziert ist. Wie lange es noch dort zu finden ist, ist fraglich. Die Degens haben die Anwälte eingeschaltet, um einen Rückzug zu erzwingen.

Was ist passiert? Nill: «Als ich David Degen die abgetippte und redigierte Fassung zum Absegnen schickte, hiess es in seiner Antwort, er habe in 13 Profijahren noch nie so ein schlechtes Interview autorisiert.» Auch einer zweiten Kompromiss-Fassung, wie Nill sagt, habe Degen nicht zugestimmt. Später habe sich noch FCB-Mediensprecher Josef Zindel eingeschaltet: Der FCB befürchte eine Image-Schädigung und habe deshalb die Veröffentlichung untersagt.

Nill war perplex: «Wir Journalisten sind doch nicht die Marionetten von Prominenten.» Um ein Zeichen zu setzen und weil kommerziell etwas an der Veröffentlichung hängt, hat er das Interview gleichwohl online gestellt.

Das Gespräch dreht sich in weiten Teilen um eine Geschäftsidee der Degens, an deren Verwirklichung sie nun arbeiten. Offenbar war es Teil des Deals, wieso Nill überhaupt sein Mikro hinhalten durfte, dass über die Degen-Innovation gesprochen wurde. Diese handelt von einer Website, über die man etwa Reisen buchen kann. Dafür gibts Punkte, die in einem anderen Geschäft in Sonnenbrillen und ähnliches unwandelbar sind. 

«Wir brauchten zwei Jahre, bis das Modell funktionierte. Ich sage es mit absolutem Stolz, dass wir wirklich ein Top-Produkt haben», sagt David.

Philipp: «Das ist wie mit den Cumulus-Punkten.»

David: «Richtig.»

Philipp: «Nur ist es bei uns 1 zu 1.»

David: «Richtig.»

Nill hat die Degens so wiedergegeben, wie sie nun einmal sprechen. Er sagt, er habe sich strickt an die Tonbandaufnahme gehalten. Und damit fingen die Schwierigkeiten an. «Du kannst meiner Meinung nach ein aufgenommenes Gespräch nicht eins zu eins übernehmen», teilte ihm David später mit.

Das Problem sind also weniger die Aussagen, als der Eindruck, der von den Zwillingen im Gespräch entsteht. Beispielhaft die folgende Passage, als Nill fragt, ob die Rückkehr zum FCB eine Rückkehr in Mamas Schoss ist.

Philipp: «Ja, also..»

David: «Nein. Back to the roots. Punkt.

Philipp: «Zurück zu unseren Wurzeln, wo alles…

David: «Wo alles angefangen hat.»

Philipp: «Wo wir…»

David: «Wo wir geprägt wurden. Wo unsere Heimat ist.»

Philipp: Genau.

Vermutlich würden die beiden Degen in einem anderen Doppel-Interview nicht anders Antwort geben. Nur würde es keiner schreiben. Weil sich die beiden aus nachvollziehbaren Gründen nicht so dargestellt sehen wollen. Und doch bleibt die Frage: Darf man eine Person, eine öffentliche – mediengeschulte zumal – nicht in Natura zeigen?

Für Nill ist es übrigens nicht der erste Ärger in diesem Zusammenhang. Das Schweizer Fernsehen hatte letzten Sommer ein Bar-Gespräch mit der Showfrau Annina Frey zurückgezogen.

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