Eines der aussergewöhnlichsten kulinarischen Experimente in Basel hat ein erfolgreiches Startjahr hinter sich: Der Schoko-Kebab an der Gerbergasse verkauft sich prächtig. Das liegt massgeblich an Deniz Katranbayiri, der seinen Weg hartnäckig verfolgt.
Deniz Katranbayiri ist ein Mann der geflügelten Worte. Immer wieder fallen während unseres Gesprächs Sätze, die aus einem Motivationsratgeber stammen könnten. Einer von ihnen lautet: «Alles hat seinen Preis, man muss nur bereit sein, ihn zu zahlen.» Katranbayiri sagt sowas nebenher, er benutzt Metaphern, um seinen Werdegang auf den Punkt zu bringen.
Und dieser Werdegang liest sich für die letzten 12 Monate wie folgt: Nach seinem Studium an der Wirtschaftsuniversität in St. Gallen entdeckt er dank einem Hinweis seines Bruders eine Marktlücke in der Schweizer Gastronomielandschaft. Er schreibt Bewerbungen an den Mittelsmann des Produkt-Patentinhabers in Deutschland, erhält das O.K., feilt am Businesskonzept, eröffnet eine Filiale und sieht heute zu, wie 5000 bis 6000 Schoko-Kebabs über den Tresen wandern. Pro Monat.
Moment: Schoko-Kebab?
In den Ohren Streetfood-affiner Konsumenten aller Gesellschaftsschichten mochte die Kombination von Schokolade und Kebab bis vor einem Jahr noch schräg klingen, Katranbayiri sorgte dafür, dass sich das änderte. Er produziert und verkauft Teigtaschen mit süssen Toppings und Schokoladenstreuseln, die von Hand von einem Spiess geraspelt werden. Und ja, der Spiess dreht sich. Damit lässt sich Katranbayiris‘ Produkt zu Recht als «Kebab» bezeichnen.
Verkehrte Welt an der Gerbergasse: Der Spiess besteht aus einer Nougat-Cremino-Mischung und wird im Kühlturm vor dem Schmelzen bewahrt. (Bild: Hans-Joerg Walter)
Vor genau einem Jahr eröffnete die schweizweit erste Schoko-Kebab-Filiale (Originalbezeichnung: «Choco Kebab») an der Gerbergasse 87. Katranbayiri durfte sich da gerade mal wenige Monate Absolvent der St. Galler Universität HSG nennen. Der damals 30-jährige Kurde hatte während des Studiums aber nicht nur seine Gehirnwindungen trainiert, er hatte auch die Augen offengehalten.
Er sah, wie ambitionierte Praktikanten aus London heimkehrten. Ausgebrannt. Er beobachtete, wie junge Männer bereits während des Studiums mit der Last leben mussten, dereinst die Nachfolge in millionenschweren Familienunternehmen anzutreten. Er studierte mit Ehrgeiz und schrieb gute Noten. Aber er sah sich auch um und stellte Fragen. An sich, an die Zukunft. Und beschloss, mit Mitte 60 nicht auf eine Karriere zurückblicken zu wollen, die zwar gespickt von Erfolgen, dafür frei von der Verwirklichung eigener Träume ist.
Bashkim Selmani bei der Herstellung eines Schoko-Kebabs: Die Theke unterscheidet sich nicht von konventionellen Dönerbuden, dafür aber die Toppings um so mehr. (Bild: Hans-Joerg Walter)
Allerdings korrigiert sich Katranbayiri rasch: «Träume finde ich immer etwas unpassend, die sind privat. Vision ist besser, das ist geschäftlich.» Zwar hatte der heute 31-Jährige nie die Vision, Schweizer Marktführer eines Schokoladenprodukts zu werden, er mag Süsses noch nicht einmal. Aber er merkte rasch, dass dieses Projekt die Möglichkeit bot, sein wirtschaftliches Know-how einzubringen, was ein gewisses Risiko bedeutete, vor allem aber Unabhängigkeit versprach.
Während der Schulzeit spielte Katranbayiri lieber Fussball anstatt zu lernen.
Die Unabhängigkeit nahm er gerne an, und dass seine Eltern sich nach dem teuren Studium mit dem Risiko ebenso anstandslos arrangierten, rechnet ihnen Katranbayiri hoch an. «Ich habe die besten Eltern der Welt, sie haben mir immer den Rücken gestärkt», sagt er. Es gab während seiner schulischen Laufbahn einige Momente, in denen dieser Rückhalt nicht einfach war, denn der Sohn spielte lieber Fussball als zu lernen, und die Lehrer empfahlen zwischendurch, «lieber etwas Handwerkliches zu machen». Katranbayiri wollte eigentlich Arzt in einem weissen Kittel werden wie die Männer im Bruderholzspital, in dem die Mutter putzte. Der Vater war Elektriker.
«Choco Kebab»
Das Produkt «Choco Kebab» ist eine italienische Erfindung. Die Firma Techfood betreibt keinen Direktverkauf, sondern produziert nur das Equipment. Sie verkauft auch Länderlizenzen an Einzelhändler wie Deniz Katranbayiri, die damit das Monopol für den Verkauf von «Choco Kebab» in ihrem Land erwerben. Für den weiteren Vertrieb und den Aufbau des Marktes sind die Händler dann selber verantwortlich.
Katranbayiri machte trotz seiner schulischen Hänger keine Lehre, er biss sich durch. Die ihm eigene Zielstrebigkeit hat er bis heute beibehalten, wie am Reissbrett zeichnet er im Gespräch seine noch junge Biografie nach. Er denkt mit Sorgfalt an Einzelheiten und beschreibt Rückschläge als Momente, «in denen es klick gemacht hat». Es hat schon ein paar mal geklickt, Katranbayiri wusste dann, dass er etwas ändern muss.
Mit 31 Ratgeber der kurdischen Community
Nicht zuletzt wegen seiner Fähigkeit, selbstkritisch auf eigene Blockaden zu reagieren, wird Katranbayiri heute an kurdischen Hochzeiten von jungen Eltern um Rat gebeten. Er habe das doch damals auch gepackt, was sollen sie ihrem Sohn denn nur sagen? Er spiele immer Fussball und lerne nie. Katranbayiri hört sich das alles in Ruhe an und erinnert die Eltern gelegentlich daran, dass auch sie selber in der Pflicht stehen, Geduld und Vertrauen zu zeigen.
«Je älter ich werde, desto mehr spüre ich in mir das Bedürfnis, etwas von dem Glück, das ich hatte, zu teilen», sagt Katranbayiri, der Sibel Arslans Werdegang mit Interesse verfolgt hat. Er kann sich selber vorstellen, dereinst in der Politik aktiv zu werden.
Vorerst aber ist Business Time, und damit hier kein falscher Eindruck entsteht: Katranbayiri ist hauptberuflich kein Gutmensch, sondern kalkulierter Geschäftsmann. Nach einem erfolgreichen ersten Jahr an der Gerbergasse bemüht er sich derzeit in der ganzen Schweiz darum, sein Produkt bekannter zu machen und zu expandieren. Es soll schliesslich noch immer Menschen geben, die mit der Kombination von Schokolade und Kebab nichts anfangen können. Katranbayiri wirds ihnen schon zeigen.
Ein Mann, eine Marke: Katranbayiri will derzeit mit seinem Produkt in der Schweiz expandieren. (Bild: Hans-Joerg Walter)