In einem Dorf in der Nähe von Arles F ist am Dienstag der Berner Mundartlyrik-Pionier Ernst Eggimann 79-jährig gestorben. Mit seinen Gedichtbänden «Henusode» und «Heikermänt» prägte er in den 1960-er und 1970-er Jahren die Schweizer «modern mundart»-Bewegung.
Der Gümliger Komponist Willy Schnyder bestätigte am Donnerstag auf Anfrage eine Meldung der «Berner Zeitung» vom gleichen Tag und sagte, Eggimann sei schon lange schwer krank gewesen. Dennoch komme für ihn Eggimanns Tod unerwartet.
Schnyder hatte 2012 im Rahmen des Programms «Eggi Maa – Rundi Frou» Texte des ehemaligen Langnauer Lehrers Eggimann auf die Bühne gebracht. Als Schnyder und sein Team im Langnauer Kellertheater Halt machten, sass der damals 76-jährige Eggimann als Ehrengast in der ersten Reihe.
In Zürich beliebter als daheim
Als Ernst Eggimann einmal in Frankfurt eine Lesung hielt, gab es stehende Ovationen und sogar Lob von der Lyrik-Legende Ernst Jandl, erinnerte sich Ernst Eggimann einmal in einem Interview.
Verstanden haben dürften die wenigsten Anwesenden Gedichte wie «weiteresweichsei/ nei/ mirweikeis/ weitereshertsei/ nei/ mirweikeis/ weiteresschpieguei/ neidanke/ weiteramändkesei/ nei/ mirweikeis/ wasweiterde».
Schon die Zürcher dürften Mühe mit solchen Lautgedichten haben, und trotzdem waren die «Züri-Hegle» für Eggimanns literarischen Durchbruch verantwortlich.
Ursprünglich hatten er und Kollegen wie Kurt Marti gar nicht daran gedacht, dass sich die Gedichte zum Druck eigneten. Nach einer Lesung in Zürich aber machte der damalige «Arche»-Verleger Peter Schifferli den Vorschlag, die Gedichte zu veröffentlichen.
Die Bestseller «Henusode» (1967) und «Heikermänt» (1971) verkauften sich vor allem in Zürich gut. Seinen Langnauer Kompatrioten dagegen war der langhaarige Lehrer mit den seltsamen Gedichten nicht geheuer. Erst 2012 taufte die Gemeinde einen Weg auf seinen Namen.
«Der ungewaschene Volksmund hat in Eggimann seinen ärgsten Denunzianten gefunden», hiess es – lobend gemeint – in der im DDR-Verlag Volk und Wissen erschienenen Literaturgeschichte «Deutschsprachige Schweizer Literatur. 20. Jahrhundert».
Schmales Werk
Wie Kurt Marti – dessen Frau über Eggimanns Werke gesagt haben soll «daschjawiedekurt» – schrieb Eggimann auch spirituelle, beziehungsweise religionskritische Werke: die Lyrikbände «Psalmen» und «Jesus-Texte», sowie den Prosaband «Meditationen mit offenen Augen».
Dazu kamen in den 70er Jahren fünf Theaterstücke und drei Hörspiele. Sein letztes Buch war 1983 «Emmental», ein Bildband, zu dem er Prosa verfasste. Mit der Lyrik hatte er zwei Jahre vorher abgeschlossen, mit dem Gedichtband «E satz zmitts i d wäut».
Obwohl die Gedichtvertonungen von Heinz Reber auf «Reber singt Eggimann» 1984 erneut ein Bestseller waren, legte Eggimann keine Lyrik mehr nach. Er habe das Gefühl gehabt, «daschsjitzgsy», sagt er.
Das war’s für ihn – aber nicht für die Schweizer Spoken-Word-Bewegung. Die jungen Schweizer Mundartlyriker liessen sich massgeblich von Eggimann inspirieren und widmeten ihm 2012 eine CD mit Hommage-Gedichten. Schon im Jahr davor hatte der Verlag Der gesunde Menschenversand Eggimanns Gedichte aus «Henusode» und «Heikermänt» in einem Band neu aufgelegt – «u ner hört» heisst er und ist immer noch greifbar.
Lyrik als die bessere Politik
Über seinen Abschied von der Literatur schrieb Eggimann, er habe das Bedürfnis gehabt, dem Elfenbeinturm zu entrinnen. Also kandidierte er erfolgreich für die grüne Freie Liste und sass 1986-1997 im Grossrat.
Als Politiker aber fragte er sich, was die Rituale, «die im Rat gespielt werden, mit der Wirklichkeit zu tun» hätten: «Wie, wenn das Dichten doch eine realistischere Tätigkeit wäre?»