Der genialste Erfinder von Entenhausen

Carl Barks gilt als der einflussreichste Donald-Duck-Zeichner. Kein Wunder, wird er von den Donaldisten verehrt.

Viele Donaldisten bezeichnen sich Zeichner Carl Barks zu Ehren auch als Barksisten.

Carl Barks gilt als der einflussreichste Donald-Duck-Zeichner. Kein Wunder, wird er von den Donaldisten verehrt.

«Ich würde gern als Mensch in Erinnerung bleiben, der gut gearbeitet hat», wünschte sich Carl Barks (1901–2000). Geht es nach den Donaldisten, so hat der Zeichner aus Oregon (USA) dies erreicht. Denn sein Werk – und nur sein Werk allein – ist es, welches für die «Anhänger des lauteren Donaldismus» als Referenz gilt. Keine «Lustigen Taschenbücher» werden von ihnen gelesen, keine Micky-Maus-Hefte. Nein, nur die 6215 von Carl Barks zwischen 1943 und 1967 gezeichneten Seiten sind für sie und ihre Forschung ausschlaggebend. 520 Donald-Duck-Geschichten sind das insgesamt.

Der Erfinder von Entenhausen: Carl Barks.

Der Unterschied zwischen den Comics aus Barksscher Feder und dem, was vorher und seither von unzähligen Zeichnern unter dem Label «Donald Duck» weltweit produziert wurde, mag auf den ersten Blick nicht ersichtlich sein. Man lese sich also etwas ein, und bald wird man merken: Hoppla, es gibt in der Tat spürbare Unterschiede.

Eloquenter Pechvogel

Da ist einerseits die Sprache, gepflegt und fast schon gestelzt in der Übersetzung von Erika Fuchs, die nicht nur Schiller-Zitate liebte und einfliessen liess, sondern auch gewandt war im Umgang mit Wortspielen und Metaphern. Da ist die Eigenheit, dass jede Seite jeder Geschichte mit einem kleinen Cliffhanger endet. Da sind die vielen Details, inklusive versteckter Selbstporträts des Autoren auf Steckbriefen oder als Kleindarsteller. Und – natürlich – sind da die Figuren, die in ihrer Anlage durchaus abweichen von dem, was der geneigte Donald-Duck-Leser aus aktuellen Comics kennt.

Carl Barks war es, der dem Duckschen Universum zahlreiche neue Charaktere einschrieb und die Eigenschaften der bereits bekannten verfeinerte. Donald Duck etwa ist bei Barks nichts als ein Pechvogel – weit davon entfernt, in der Nacht als Phantomias oder Geheimagent die Welt zu retten, wie er das heute so oft tut. Happy Endings existieren für diesen Donald nicht. Er ist und bleibt am Ende jeder einzelnen Geschichte der Verlierer, selbst wenn er in deren Verlauf kurze glückliche Momente erleben darf.

Berühmte Gefährten

Aus Barksscher Feder stammen auch einige der wichtigsten Nebencharaktere der Donald-Duck-Comics: der eitle Glückspilz Gustav Gans zum Beispiel, Erfinder Daniel Düsentrieb, die Hexe Gundel Gaukeley oder die Panzerknacker. Die bekannteste Erfindung von Carl Barks aber ist der reichste Erpel der Welt: Dagobert Duck, im Original Scrooge McDuck (in Anlehnung an Charles Dickens’ Ebenezer Scrooge aus der «Weihnachtsgeschichte»), ist in der Barksschen Anlage keine Ente zum Gern­haben. Herrisch, nur an Geld interessiert, kommen erst in späteren Geschichten auch ein paar wenige nette Züge zum Vorschein.

Barks war es auch, der Entenhausen erfand, jene Stadt, in der sich die wohl berühmteste Ente der Welt und ihre Gefährten tummeln. Auch der Gründer Entenhausens, Emil Erpel, stammt aus seiner Feder. Charakterzüge teilt der Erpel mit seinem Erfinder jedoch keine, obwohl das doch naheliegen würde. Nein, Barks sah sein heimliches Alter Ego eher in Daniel Düsentrieb. Er wäre selber gern Erfinder geworden, sagte er einmal, wenn er hätte wählen können. Für viele war er einer, sogar ein ganz genialer.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 29.03.13

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