Stefan Haupts Film «Der Kreis» über die gleichnamige Schwulenorganisation im Zürich der 1960er Jahre ist mit vier Auszeichnungen der grosse Gewinner an der Schweizer Filmpreisverleihung in Genf. Der Dokfilm «Electroboy» von Marcel Gisler erhielt zwei Trophäen.
Der Erfolg von «Der Kreis» an der grossen Film-Gala im Bâtiment des Forces Motrices ist auch ein Sieg erfahrener Schweizer Filmemacher über den Nachwuchs. Neben «Der Kreis» ging der Debütfilm «Chrieg» von Simon Jaquemet mit fünf Nominationen als Mitfavorit ins Rennen um den Quartz 2015 – «Chrieg» musste sich am Ende jedoch mit einer einzigen Auszeichnung («Beste Kamera») zufrieden geben.
Der grosse Gewinner «Der Kreis» vereint fiktive und dokumentarische Elemente und erzählt die Liebesgeschichte von Röbi Rapp und Ernst Ostertag zwischen ihrem Engagement in der Schwulenorganisation «Der Kreis» und der Enge im Zürich der 1960er Jahre. Rapp und Ostertag liessen als erstes homosexuelles Paar ihre Partnerschaft eintragen. Die beiden wohnten der Preisverleihung gemeinsam mit dem Filmteam bei.
Regisseur Stefan Haupt erinnerte in seiner Dankesrede daran, dass die Schweiz während des Zweiten Weltkrieges als eines der ersten Länder die Homosexualität entkriminalisiert habe. Gleichzeitig rief der Filmemacher dazu auf, auch heute in Sachen Menschlichkeit Zeichen zu setzen.
Weitere Trophäen erhielt «Der Kreis», der bereits im Ausland zahlreiche Preise ergatterte, in den Kategorien «Bester Darsteller» (Jungschauspieler Sven Schelker), «Bestes Drehbuch» (Stefan Haupt, Christian Felix, Ivan Madeo, Urs Frey) und «Bester Nebendarsteller» (Peter Jecklin).
Auch wenn Mitfavorit und Erstling «Chrieg» in den wichtigen Kategorien nicht punkten konnte – für den heutigen Nachwuchs ist der Filmpreis 2015 dennoch ein wichtiger Meilenstein. Denn auffallend viele junge Filmschaffende und Darsteller wurden von der Filmakademie nominiert. Was beweist, dass der Schweizer Film vor einer vielversprechenden Zukunft steht.
Timoteo als einzige Frau ausgezeichnet
Zweiter Sieger neben «Der Kreis» war am Freitagabend «Electroboy» von Marcel Gisler. In seinem Dokfilm erzählt der Regisseur Aufstieg und Fall des ehemaligen Snowboarders, Partyveranstalters und Werbers Florian Burkhardt – und damit auch eine tragische Familiengeschichte. Neben dem Preis als «Bester Dokumentarfilm» erhielt «Electroboy» auch die Auszeichnung für die «Beste Montage» (Thomas Bachmann).
Als einzige Frau an diesem Abend wurde die Berner Schauspielerin Sabine Timoteo für ihre Rolle in «Driften» als «Beste Darstellerin» ausgezeichnet. Das Drama von Karim Patwa hatte seine Schweizer Premiere an den Solothurner Filmtagen gefeiert und viel Kritikerlob erhalten.
«Sie übersetzen Alltägliches in Poesie»
Die Preis-Gala fand zum zweiten Mal in Genf statt, die Westschweizer Metropole ist im Turnus mit Zürich Gastgeberin der wichtigsten Schweizer Filmpreisverleihung. Wie schon im Jahr zuvor im Zürcher Schiffbau führte die Bündnerin Maria Viktoria Haas mit einer etwas braven Moderation durch den Abend.
Übergeben wurden die 18. Schweizer Filmpreise von wichtigen Persönlichkeiten der hiesigen Filmbranche wie Oscar-Gewinner Xavier Koller, Akademie-Chef und Dokfilmer Christian Frei oder Vorjahressiegerin Sabine Boss.
Bundesrat Alain Berset wurde eine besonders ehrenvolle Aufgabe zuteil: Der Kulturminister hielt die Laudatio auf Ehrenpreisträger und Regie-Legende Jean-Luc Godard. Der 84-Jährige musste der Verleihung jedoch aus gesundheitlichen Gründen fernbleiben und wurde per Videobotschaft zugeschaltet.
Godard übersetze «Alltägliches in Poesie» und mache Filme, die durchdrungen seien von «klugem Dilettantismus, trauriger Verrücktheit und fröhlichem Pessimismus», sagte Berset. «Sie sind manchmal soziologisch, manchmal auch politisch. Sie sind Satzmusik und Lautgrammatik. Diese Filme sind Jazz.»