Der neue kroatische Kulturminister lobt einen Film, indem der Holocaust relativiert wird. Trotz weiterer Entgleisungen und anhaltender Rücktrittsforderungen hält die Regierung an Zlatko Hasanbegović fest.
Noch nicht einmal 100 Tage ist Kroatiens neue Regierung aus rechtskonservativer HDZ und wirtschaftsliberaler MOST im Amt, schon hat sie eine Kaskade von Skandalen produziert. Im Zentrum der Kritik steht der Kulturminister Zlatko Hasanbegović. Am Montag lobte er den Film «Jasenovac – Die Wahrheit» mit den Worten: «Solche Filme sind hilfreich, weil sie sich mit Tabuthemen befassen». Tatsächlich bricht der Film ein Tabu, aber hilfreich ist das nicht.
Das Machwerk stellt die Opferzahlen des Vernichtungslagers Jasenovac im «Unabhängigen Staat Kroatien» (Nezavisna Država Hrvatska, NDH) in Frage. Der NDH-Staat war ein Vasallenstaat der Nationalsozialisten von 1941 bis 1945, in dem Juden, Serben, und Roma von den Ustascha, den kroatischen Faschisten systematisch verfolgt und vernichtet wurden.
Die Historiker der Gedenkstätte Jasenovac haben die Namen und Todesdaten von 83’145 Menschen gesammelt, die vom Ustascharegime in dem Lager ermordet wurden. In einer detaillierten Liste führen sie 47’627 Serben, 16’173 Roma, 13’116 Juden, 4255 Kroaten und 1128 Muslime auf. Die Historiker rechnen damit, dass weitere Recherchen noch mehr Opfer zum Vorschein bringen.
Revisionistischer Historiker…
Den «Jasenovac»-Regisseur Jakov Sedlar beeindrucken diese Fakten wenig. Er erklärte am Dienstag im Interview mit dem kroatischen Fernsehsender HRT, dass die Zahl der Opfer übertrieben sei: «Ich glaube wir sprechen über 20’000 bis 40’000 Opfer.» Damit unterstützt er die Thesen rechter kroatischer Historiker, die Jasenovac als Arbeitslager und nicht als Vernichtungslager einordnen wollen. Einer dieser Historiker ist der Kulturminister Zlakto Hasanbegović.
Obwohl der Untertitel des Films «Die Wahrheit» lautet, scheint es der Regisseur mit ebendieser nicht besonders ernst zu nehmen. Wie das Onlinemagazin «Lupiga» herausfand, handelte es sich bei historischen Zeitungsartikeln, die im Film zur Beweisführung herangezogen werden, um Fälschungen. Der Wahrheit wurde mit Photoshop nachgeholfen. Während der Regisseur die Verbrechen der Faschisten relativiert, schimpft er seine Kritiker im Interview mit dem TV-Sender N1 als «Liberalfaschisten».
Viele Kulturschaffende in Kroatien befürchten, dass sich die neue Regierung in der Kulturpolitik das Nachbarland Ungarn zum Vorbild nimmt und vor allem «nationalistische Kultur» fördern wird. Bereits wurden Schlüsselpositionen in vielen Bereichen neu besetzt.
…mit rechtsextremer Vergangenheit
Den Kulturminister halten viele allein schon wegen seiner rechtsextremen Vergangenheit für unzumutbar. Die Wochenzeitung «Novosti» druckte ein Bild, das ihn im Jahr 1996 mit einer Ustascha-Mütze zeigt. Hasanbegović bezeichnete das Foto als Fälschung und witterte eine Verschwörung, hinter der er die serbische Minderheit in Kroatien vermutet: «Das ist ein weiterer Schritt in einer Reihe von Versuchen, mich moralisch zu diskreditieren und politisch zu liquidieren. Die «Novosti» wird vom serbischen Nationalrat beeinflusst.»
Das Foto war aber schon früher in der rechtsextremen Publikation «Nezavisna Država Hrvatska» («Unabhängiger Staat Kroatien») erschienen. Nachdem der Kulturminister das nicht mehr leugnen konnte, passte er seine Verteidigungsstrategie an und erklärte öffentlich: «Die peripheren Aussagen zu nutzen und selektiv einzusetzen, die ich während meiner Studienzeit machte, ist eine politische Manipulation.» Man könnte es auch so ausdrücken: Der Minister hat gelogen.
So unbeteiligt wie Hasanbegović nun tut, war er nicht. Sein Name findet sich im Impressum der rechtsextremen Zeitung. Er hat zudem Artikel geschrieben, in denen er die Ustascha unmissverständlich als Helden und Opfer stilisiert.
Befreier? Kriegsvebrecher!
Es scheint nicht so, als habe sich Hasanbegović in den vergangenen 20 Jahren radikal verändert. Als Historiker konzentriert er sich vor allem darauf, die Verbrechen der Ustascha zu relativieren. Dabei setzt er sich gemäss eigener Aussage dafür ein, auch die Perspektive der Achsenmächte ernst zu nehmen und nicht immer nur die der Alliierten. Die derzeitige Perspektive der Geschichtswissenschaften werde laut dem Kulturminister von einer «israelischen Lobby» kontrolliert, die ihr eigenes Narrativ durchsetze.
Ausserdem ist Hasanbegović Mitglied des sogenannten Bleiburger Ehrenzugs, der jedes Jahr im österreichischen Kärnten der Ustascha-Milizionäre gedenkt, die im Zweiten Weltkrieg getötet wurden. Titos Volksbefreiungsarmee, die das Land von Nazis und Ustascha befreit hat, hält er für Kriegsverbrecher, den Antifaschismus für eine Floskel.
Zudem vertritt er die These, dass Kroaten und bosnische Muslime eine Nation bildeten, aber eben unterschiedlichen Religionen angehörten. Die meisten bosnischen Muslime lehnen diese Interpretation entschieden ab. Der faschistische NDH-Diktator Ante Pavelić nutzte seinerzeit diese These, um Muslime dem Vernichtungsapparat seiner Ustascha zuzuführen.
Selber Angehöriger der muslimischen Minderheit
Hasanbegović versucht, die bosnische SS-Division Handschar in ein neues Licht zu rücken. Den SS-Hauptsturmführer Husein Đozo nannte er in einem Interview mit der bosnischen Tageszeitung «Oslobođenje» eine der «markantesten und interessantesten Persönlichkeiten der bosnischen Muslime». Die Freiwilligen-Division wurde 1943 aufgestellt, nachdem SS-Reichsführer Heinrich Himmler öffentlich erklärt hatte, dass sich die Weltanschauung des Nationalsozialismus in der «Judenfrage» mit der des Islams decke.
Ironischerweise ist Zlatko Hasanbegović als Muslim der einzige Angehörige einer Minderheit im kroatischen Kabinett. Er beschuldigte seine Kritiker, ihn aufgrund seiner religiösen Zugehörigkeit zu attackieren. Der kroatische Mufti Aziz Hasanović tat diese Interpretation allerdings als unberechtigt ab.
In einer Erklärung schrieb die Islamische Gemeinschaft Kroatiens: «Die Angriffe auf Hasanbegović als islamophob oder antiislamisch zu bezeichnen, ist nicht gerechtfertigt und schändlich.» Die Islamische Gemeinschaft sei politisch neutral und stelle sich nicht hinter den Minister, steht weiter in der Erklärung.
Als Kulturminister für Gedenkstätten zuständig
Am kommenden 22. April findet wie jedes Jahr die Gedenkveranstaltung zur Befreiung des Konzentrationslagers Jasenovac statt, an der auch Vertreter der verfolgten Gruppen teilnehmen. Am Montag, 4. April, erklärte allerdings die jüdische Gemeinde von Kroatien, dass sie in diesem Jahr nicht an der Gedenkveranstaltung teilnehmen werde. Begründet hat sie diesen Entscheid mit der derzeitigen Banalisierung des Faschismus in Kroatien.
Kritiker monieren, die jüdische Gemeinde solle besser mit den betreffenden Stellen zusammenarbeiten, statt die Veranstaltung zu boykottieren. Das Problem dabei: Der Verantwortliche für Gedenkstätten ist der Kulturminister Zlatko Hasanbegović, dessen Rücktritt Vertreter der jüdischen Gemeinde bereits mehrfach gefordert haben.
Es ist beeindruckend wie es Hasanbegović es binnen weniger Wochen geschafft hat, einen grossen Teil der kroatischen Gesellschaft gegen sich aufzubringen. Umso mehr erstaunt es, dass die Regierung weiter an ihrem Kulturminister festhält. Viele Kroatien befürchten nun, dass unter der neuen Regierung der Nationalismuss der 1990er-Jahre wieder aufkommt. Wie die Beispiele Ungarn und Polen zeigen, wird die EU gegen diese Tendenzen wohl nichts unternehmen.