Warum sich der somalische Flüchtling Hamse Warfa für Obamas Wiederwahl engagiert
Hamse Warfa (33) ist der bessere Amerikaner.
1991 flieht er mit seiner Familie aus dem bürgerkriegsgeschüttelten Somalia und erreicht 1994 die USA. Er kann kein Wort Englisch. Schnell hat Hamse verstanden, dass Bildung Kapital ist und dass dem, der in diesem Land hart arbeitet und für eine Sache einsteht, Türen offen stehen. Mittlerweile schreibt der Somalier eine Doktorarbeit in Leadership Studies. Er arbeitet als Projektmanager für die Alliance Healthcare Foundation und vergibt jährlich 25 Millionen Dollar an sogenannte «underserved communities» (benachteiligte Gesellschaftsschichten).
In seiner Freizeit engagiert sich Hamse für verschiedenste Lobbyverbände für Flüchtlinge, vor allem solche aus Ostafrika. Und last but not least engagiert sich Hamse aktiv für die Demokraten. Hamses Werdegang vom Flüchtling zum Opinionleader verkörpert, was die Amerikaner nach wie vor lieben: Die Erfüllung des amerikanischen Traums.
Ich treffe Hamse im Starbucks im Cityhights Quartier in San Diego. Das Quartier am Stadtrand besteht aus 90% Minoritäten. Südamerikaner, Chinesen, Äthiopier und Somalier leben hier nebeneinander, teilweise auch miteinander. Hamse ist eine Art intellektuelle Leaderfigur für seine Nachbarschaft. Er kennt hier jeden. Alle wollen mit ihm ein paar Worte wechseln und ihm ihre Anliegen ins Ohr flüstern. Seinen Kaffee zahlt Hamse selten selber.
Du bist Mitglied der demokratischen Partei. Warum ?
Nun, Politik macht Geld! Ich arbeite im NGO Sektor und habe schnell erkannt, dass diese Art von Arbeit vor allem politisches Lobbying bedeutet. Der Fluss der Mittel ist direkt verknüpft mit der regierenden Partei. Ausserdem kannst du deine eigene Community (somalische Diaspora) nur unterstützen, wenn du Teil des Systems bist und dir politische Werkzeuge zur Verfügung stehen. Ideologisch gesehen, sind Somalier näher bei den Republikanern. Sie sind wertekonservativ. Aber du kannst keiner Partei beitreten, die deine Existenz verneint. Demokraten sind uns „Little Guys“ viel wohlgesinnter. Republikaner, das sind die «Big Guys».
Worin besteht deine parteipolitische Tätigkeit hauptsächlich?
Zum einen geht es darum alle Immigranten – also, ich spreche ja lieber von «New Americans» – in meiner Nachbarschaft zu überzeugen, sich an der Volkszählung (census) zu beteiligen. Zum andern gilt es Stimmberechtigte zu überzeugen, sich zu registrieren und abstimmen zu gehen.
Die Volkszählung? Die findet doch nur alle 10 Jahre statt?
Über die Volkszählung wird eruiert, wieviele Sitze ein Staat im Repräsentantenhaus bekommt. Zudem werden auf Grund der Einwohnerzahlen 300 Milliarden Dollar Bundesgelder an Staaten und Gemeinden verteilt. Die Rechnung ist einfach: Je mehr Einwohner, desto mehr Bundesgelder fliessen in deine Gemeindekasse. In der Volkszählung wird nicht nach deiner Staatangehörigkeit oder nach deinem Aufenthaltsstatus gefragt. Trotzdem fürchten viele Immigranten, dass die Informationen gegen sie verwendet werden. Die Skepsis gegenüber dem Staat sitzt bei vielen Flüchtlingen tief und ist kulturell verwurzelt.
Stimmen die Somalis hier in San Diego ab?
Die somalische Diapora hier in San Diego hat noch einen langen Weg vor sich. Das gilt übrigens genauso für andere Immigranten-Communities. Die Leute sind interessierter und informierter über die politischen Ereignisse ihres Heimatlandes. Sie erkennen nicht, dass es wichtig ist, sich darüber zu informieren, was vor ihrer Haustüre abgeht. Sie sehen zum Beispiel nicht ein, dass es sich lohnt, für kleinere Schulklassen oder tiefere Einschreibegebühren zu kämpfen. Viele von ihnen konnten selbst keine Ausbildung geniessen und erkennen deren Wert kaum. Und dann gibt es natürlich auch immer die Barriere der englischen Sprache.
Welche politische Aktivitäten planst du für 2012?
Das wichtigste Ziel für 2012 ist Obamas Wiederwahl. Wir müsssen die „New Americans“ überzeugen, dass sie abstimmen gehen. Wir werden dafür von Tür zu Tür gehen und viele, viele Telefonanrufe tätigen.
Gibt es Unterschiede zwischen den Wahlen 2008 und heute, 2012?
2008 waren die Menschen viel energetischer. Sie waren müde von den acht Jahren unter G.W. Bush. Obama erfüllte sie mit Hoffnung. Heute, 2012, sind die Menschen nicht glücklich mit Obama. Aber er ist «the best we’ve got». Er ist das kleinere Übel.