Warum ist der Autor des Blogs «Meier’s Best» so arrogant und steht auch noch dazu? Ein Besuch in Zürich.
«Bloggen. Das ist voll 1999», schreibt Roger Meier in einem seiner Einträge. Jeder x-Beliebige schnappt sich heute sein Smartphone, geht an eine angesagte Veranstaltung, drückt ab, kleckst was dazu, been there, done that, und hofft auf Likes in den sozialen Netzwerken. Und was tut Roger Meier? Nichts anderes, er bloggt. Und weil er sich für etwas Besseres hält, schimpft er mit der TagesWoche, dass sie sein Format «Blog» nennt und nicht «Kolumne».
Meier hat nicht vergessen, dass er dieselben Dinge kritisiert, die er selber tut. Wahrscheinlich interessiert ihn das Lächerliche an der Mode, weil er selber drinsteckt. Es geht immer um die fragile Unterscheidung, ob etwas modern ist oder bloss «in». Modern ist das, was übermorgen angesagt sein wird, und wer einen Tick zu spät aufspringt auf einen Trend, ist vorgestrig.
Das hindert Meier allerdings nicht daran, an denselben Paris Fashion Weeks, über die er im Blogeintrag schreibt, sein iPhone zu zücken und die vorbeilaufende Chefredaktorin der japanischen «Vogue» zu filmen. So wie alle anderen Anwesenden auch, die dazu noch ihren Namen kreischen, damit sie in ihre Linse guckt. «Gruppenzwang», schreibt Meier. Da hilft nur Eingeständnis. Aber wie kommt er dazu, sich für moderner als andere zu halten? Wie viel Arroganz kann er sich leisten?
«Guter Geschmack macht einsam.»
Diese Frage will ich ihm bei unserem Treffen stellen, für das mich Roger Meier in seine Wohnung nach Zürich eingeladen hat. Das Stadthaus, in dem die Wohnung liegt, ist der letzte Altbau im «aufstrebenden» Quartier Zürich West, rund herum steht schlechte und weniger schlechte Neubauarchitektur. Meier empfängt den Besuch mit den Worten «Willkommen im Nagelhaus». Im Innern hängt der Putz von der Decke, den Strom hat die Stadt teilweise schon abgestellt.
Im Wohnzimmer tischt Meier eine köstliche Suppe auf. «Ich koche gut», sagt er von sich selber, noch bevor der Gast probiert hat. Sind Sie arrogant, Herr Meier? «Auf manche mag das so wirken», antwortet er. Und, sind Sies? «Ich sage nicht, dass ich es nicht bin.» Natürlich ist ers, und einer seiner liebsten Sätze lautet: «Guter Geschmack macht einsam.» Tatsächlich kommt man, wenn man mit Roger Meier unterwegs ist, kaum zu Wort. Er hat einen Hang dazu, alle Dinge zu bewerten, gleich, ob es eine politische Rede ist, die Güte einer High-Society-Party, ein Bleistiftanspitzer oder die Wahrscheinlichkeit eines Janet-Jackson-Revivals.
«Ich mag Dinge, die so überzeugend sind, als wären sie bewaffnet.»
Die Basler Weihnachtsbeleuchtung geht zum Beispiel gar nicht. Was er hingegen sehr mag, sind die älteren Basler Damen, die die Edelmetallkrücke ihres Gehstocks mit hauchdünnen Handschuhen fassen. Farben an Kleidung und Gebrauchsgegenständen findet er zurzeit schwierig, alles zwischen Schwarz und Weiss geht, ebenfalls Silber und Gold. Blau und Grün zur Not, aber nur gekonnt eingesetzt. «Mich macht wuschig, wenn etwas nicht konsequent durchgezogen wird», sagt er, «und ich mag Dinge, die so überzeugend sind, als wären sie bewaffnet. So, dass man nichts dagegen sagen kann.»
Tatsächlich hat sein Bewertungsdrang etwas Neurotisches, was sich in einer erhöhten Sensibilität äussert: Ihn macht «wuschig», wie sein Wort dafür lautet, wenn Leute beim Essen das Besteck nicht richtig benutzen können oder die viel zu helle Beleuchtung in den neueren Zürcher Bussen, in denen man aussieht wie «eine Crack-Hure».
Roger Meier ist eigen. Das liegt nicht jedem, doch das ist auch nicht sein Ziel. Das Schöne an seinem Urteilsreigen ist, dass er die Dinge liest. In der Nebensächlichkeit sieht er Geschichten. Pathetisch gesagt: Es gibt nichts, was nicht politisch ist. Schön ist aber vor allem: So arrogant und abgehoben seine Geschichten auch scheinen mögen, er verliert nie den Respekt gegenüber der Person. Man muss nur genau hinhören. Meier, der Neurotiker im letzten Altbau von Zürich West, hat das Herz am rechten Fleck.