Bronze, Silber – und nun Gold? Nino Schurters Olympia-Rennen stehen auch für die sportliche Entwicklung des Ausnahmekönners. Es spricht nicht viel dagegen, dass der Bündner heute seine Karriere krönt.
2004 verfolgte Schurter die Olympischen Spiele von Athen daheim am TV. Als er Thomas Frischknecht, Christoph Sauser und Ralph Näf fahren sah, begann Schurter von Olympia zu träumen. Kurz darauf gewann er in seinem letzten Jahr als Nachwuchsfahrer den WM-Titel bei den Junioren. Zwölf Jahre später steht Schurter vor seiner dritten Olympia-Teilnahme. Aus dem hoffnungsvollen Talent ist ein mittlerweile fünffacher Elite-Weltmeister geworden. Zwei olympische Medaillen darf er sein Eigen nennen, zum kompletten Satz fehlt ihm einzig noch die goldene Auszeichnung.
Der Olympiasieg, das ist Schurters grosses Ziel in Rio. «Eine zweite silberne oder bronzene Medaille brauche ich nicht», sagt er. Nimmt das Rennen seinen regulären Verlauf, und wird er nicht von einem Defekt gestoppt, dann liegt die Goldmedaille für Schurter auf dem Tablett bereit. Denn Schurter fühlt sich reifer als 2012 in London, als er bereits einmal als grosser Favorit angetreten war, das Rennen aber «zu stark kontrollieren wollte», wie er selbst sagt.
Er habe sich mit den Jahren verändert, so Schurter. «2008 bin ich als junger Fahrer gerade noch so ins Team gerutscht, hatte keinen Druck und konnte Olympia einfach geniessen», erinnert sich Schurter an seinen überraschenden Gewinn der Bronzemedaille. «2012 war das anders, und jetzt ist es das wieder. Mittlerweile durfte ich in meiner Karriere schon so viel erreichen, deshalb kann ich am Sonntag viel gelassener ins Rennen gehen als vor vier Jahren.» Er habe das Gefühl, dass er nun die Reife habe, um die optimale Mischung aus Gelassenheit und Aggressivität zu finden.
In London habe er Fehler gemacht, führt Schurter weiter aus: «Ich dachte damals, ich müsse das Rennen kontrollieren und wollte alles an die Hand nehmen. Ich liess dabei zu viel Körner liegen. Bis zum Zielsprint war ich so kaputt, dass ich nicht mehr reagieren konnte.» Zur Erinnerung: In London musste Schurter in der letzten Kurve Jaroslav Kulhavy noch passieren lassen und sich hinter dem Tschechen mit Silber begnügen. Selbiges soll ihm dieses Jahr nicht mehr passieren. «Man muss auch cool bleiben und mit so wenig Energie durch das Rennen kommen wie möglich», sagt Schurter.
Schurter ist nicht nur zuversichtlich, dass er aus London gelernt, sondern dass er im Vorfeld von Rio auch alles richtig gemacht hat. «Es läuft in dieser Saison alles so, wie ich das wollte. Ich bin gut vorbereitet, das Material passt perfekt, das Setup stimmt. Ich habe nichts ausgelassen», ist Schurter von sich überzeugt. Klar, es gebe Sachen, die könne man nicht kontrollieren. «Deshalb braucht es auch immer etwas Glück im Rennen.»
Auch wenn 2004 seine olympischen Träume begannen, zu stark sollte Schurter in Rio nicht an das damalige Rennen denken. Denn vom Rennglück wurden die Schweizer damals nicht beglückt. Ganz im Gegenteil: Ein früher Sturz von Thomas Frischknecht und ein Kettenriss beim als Favorit gestarteten Christoph Sauser zerstörten die Schweizer Medaillenträume. Es war das bisher einzige Mal seit der Aufnahme ins olympische Programm im Jahr 1996, dass die Schweizer Biker ohne Edelmetall nach Hause reisen mussten.