Heute, an seinem 75. Geburtstag, hat Bob Dylan frei, seine «Never Ending Tour» macht Pause. Aber was heisst schon frei für einen Künstler, der 100 Nächte im Jahr in Hotels von Konzertstädten haust?
Seinen Karriere-Einstieg beschreibt der «Picasso des Songs» (O-Ton Leonard Cohen) in seiner literarischen Autobiografie «Chronicles» (2004) so: «Amerika wandelte sich. Ich ahnte eine schicksalhafte Wendung voraus und schwamm einfach mit dem Strom der Veränderung. Das ging in New York genauso gut wie anderswo.»
Noch unter seinem Geburtsnamen Robert Allen Zimmerman spielt der aus Duluth/Minnesota stammende Dylan zunächst in regionalen Highschool-Bands Rock’n’Roll. Sein Faible für die neue Folk-Bewegung entdeckt der aus einer jüdischen Familie stammende junge Mann 1959 in Minneapolis. Dann treibt ihn der «Strom der Veränderung» ins New Yorker Greenwich Village.
Der Erfolg stellt sich mit «Blowin‘ In The Wind» 1963 ein. Wilde, wütende Lieder wie «Masters Of War» oder «A Hard Rain’s A-Gonna Fall» qualifizieren Dylan für die Protest-Folk-Bewegung.
Doch weder die Rolle eines Folk-Idols mag Dylan auf Dauer annehmen noch die der politischen Symbolfigur. Also mutiert er zum zweiten Mal – diesmal zum Rockmusiker mit elektrischer Gitarre und Band. Für seinen «Verrat» am Folk wird er von Fans als «Judas» beschimpft.
Nicht in Woodstock
Aber Dylan lässt sich nicht beirren und komponiert in den 60ern künftige Klassiker in Serie, Alben wie «Bringing It All Back Home», «Highway 61 Revisited», «Blonde On Blonde». Weltkluge Songs wie «Like A Rolling Stone», den das (danach benannte) Fachblatt «Rolling Stone» später zum besten Lied aller Zeiten kürt.
Nach einem Motorradunfall im Sommer 1966 zieht sich Dylan aus der Öffentlichkeit zurück und lebt mit seiner Ehefrau Sara Lowndes und den gemeinsamen Kindern in der Nähe von Woodstock bei New York. Als dort 1969 das wichtigste Festival des Jahrzehnts über die Bühne geht, ist ausgerechnet der neben den Beatles und den Rolling Stones wichtigste Rock- und Pop-Pionier nicht dabei.
Ein Tief und seither 20 Jahre im Hoch
Die 70er Jahre sind eine schwierige Zeit für Dylan: die Trennung von Sara Lowndes, eine gewisse künstlerische Stagnation. Auch für die 80er fällt die Bilanz eher durchwachsen aus: Auf der Habenseite stehen eine zweite Heirat, kommerzielle Erfolge mit der Star-Band Traveling Wilburys, der Beginn der «nie endenden Tournee» mit 100 Konzerten pro Jahr.
Dylans künstlerische Rehabilitierung kommt 1997 mit dem ersten grossen Alterswerk «Time Out Of Mind». Seitdem hat er einen Lauf, setzt alle paar Jahre Ausrufezeichen wie «Modern Times» (2006) oder «Tempest» (2012). Seine Alben steigen in den Charts so hoch wie selbst in den 60ern nicht, teilweise sogar bis an die Spitze.
Auch die Auszeichnungen sind kaum noch zu zählen: elf Grammys, ein Song-Oscar, der Pulitzer-Preis für «lyrische Kompositionen von ausserordentlicher poetischer Kraft», die von Barack Obama höchstpersönlich verliehene «Presidential Medal of Freedom».