Das Theater an der Winkelwiese in Zürich hat ein Flair für geheimnisvolle Stoffe. Nach Thomas Bernhards Monolog «Gehen» ist Robert Walsers Roman «Der Räuber» angesagt. Die quirlige Bühnenfassung von Niklaus Helbling hatte am Donnerstag Premiere.
Robert Walser hat seine Aufzeichnungen über den Räuber im Juli und August 1925 in mikroskopisch kleiner Schrift in 35 Tageswerken niedergeschrieben. Entziffert wurden sie erst 1968, zum ersten Mal veröffentlicht 1972, also 16 Jahre nach dem Tod des Bieler Schriftstellers.
Ein Heft mit kleiner Schrift trägt auch Sebastian Krähenbühl auf die Bühne. Er gibt den Erzähler, den Schriftsteller in Rosa und Schwarz, und den Räuber. Die beiden werden im Laufe des 90-minütigen Abends immer wieder verschmelzen.
«Edith liebt ihn. Hievon nachher mehr. Vielleicht hätte sie nie zu diesem Nichtsnutz, der kein Geld besitzt, Beziehungen anbahnen sollen.» Krähenbühl schleudert die Worte mit strenger Miene ins Publikum und versucht so, Distanz zu wahren. Und dann taucht sie auf, die Serviertochter Edith (Mareike Sedl), die ihn am Schluss von der Kanzel schiessen wird.
Die Ordnung auf der Bühne (Sara Giancane) mit dem baldachinartigen Zelt, dem Tisch im Mittelpunkt wird dann dem totalen Chaos gewichen sein. Mit der psychischen Zerrüttung des Räubers – und des Schriftstellers – geht die Zerstörung der Bühne einher. In der Figur und auf der Spielfläche bleibt kein Stein auf dem anderen.
Regisseur Niklaus Helbling scheut sich nicht, die tragikomische Geschichte des Räubers, dieses Aussenseiters und Sonderlings, mit allerlei technischen und turnerischen Überdrehungen in Fahrt zu bringen. Sedl und Krähenbühl sind auch den bisweilen akrobatischen Anforderungen bestens gewachsen.
Was aber besonders wichtig ist: Die Sprache geht dabei nicht verloren. Im Gegenteil: Robert Walsers überraschender, kunstvoll sprunghafter und geheimnisvoll funkelnder Text bleibt das Ereignis des Abends.