In Pratteln soll eine Lehrerin mit einem Schüler Sex gehabt haben. Das erregt die Redaktionen in der Region. Und beschädigt das Leben einer Frau.
Drei Klicks sind nötig und die Frau ist identifiziert. Klarname, Klarbild, Google legt alles frei, was der Praktikantentext in «20 Minuten» zu anonymisieren versucht hat. Das kann auch die Prattler Sekundarschule nicht mehr verhindern. Nach dem Artikel in der «Basler Zeitung», der durch Zitate von der Schul-Website eine einfache Identifikation der Person möglich macht, hatte sie noch Schlimmeres zu verhindern versucht und den Internetauftritt vorsorglich vom Netz genommen.
«Radio Basilisk», die «Basellandschaftliche Zeitung», die «Schweiz am Sonntag», alle stürzen sich auf den Stoff. Die Story scheint die Redaktionen zu erregen, vielleicht, weil sie die älteste pubertäre sexuelle Fantasie seit der Einführung des Schulwesens bedient: Eine Lehrerin soll mit einem 17-jährigen Schüler geschlafen haben.
Abstossende Berichterstattung
Die Berichterstattung in ihrer Summe, vor allem in einzelnen Beiträgen, gehört zum Abstossendsten, was die lokale Medienszene in der letzten Zeit hervorgebracht hat. Etwas Intimeres als Sex ist kaum vorstellbar. Noch intimer aus journalistischer Sicht ist der Sex einer Privatperson, selbst wenn dabei möglicherweise Gesetze verletzt wurden. Da muss man sich schon schwer strecken, um öffentliches Interesse herzustellen.
Worin liegt die Brisanz jenseits der lüstelnden Skandalisierung, selbst wenn es tatsächlich sexuellen Austausch gab? Hat die Frau so gehandelt, wie es ihr vorgeworfen wird, dann hat sie einen Fehler gemacht, für den sie einstehen muss, auch vor Gericht, wenn sie das Gesetz verletzt hat. Und danach soll sie die Möglichkeit haben, ihr Leben normal fortzuführen.
Gar keinen Grund gibt es, das Alter der Frau zu nennen («Schweiz am Sonntag»), die Initialen («Basler Zeitung») oder das verfremdete Bild zu zeigen («20 Minuten»). Nichts, was dazu führen kann, dass die Betroffenen identifiziert werden, gehört in so einem Fall veröffentlicht.
Deutlich neben der Spur
Zumal noch gar nichts geklärt ist. Auch wenn die Reporter diverser Medien in den letzten Tagen auf dem Pausenplatz in Pratteln ihre investigativen Talente entdeckten und Teenager angingen und ausquetschten. Sie taten dabei das, was sie der Frau in ihren Berichten vorwerfen und deshalb ihren Ausschluss vom Lehrdienst verlangen: mit ihrem Verhalten einen normalen Unterricht verunmöglichen.
Deutlich neben die Spur geriet der Kollege von «Radio Basilisk». Er zeichnete aufgrund von Gesprächen mit Schülern, die in der Blüte der Pubertät stehen, das Bild einer zügellosen und verdorbenen Frau. Die Lehrerin würde sich gerne offen geben, wusste er zu berichten, die Schüler hätten öfters das Gefühl, sie würde mit ihnen flirten.
Zur weiteren Untermauerung seines Sittenbildes einer Frau eignete sich der Radiomann auf dem Pausenplatz Nacktbilder der Frau an, die offenbar kursierten. Der einzige Grund, das zu tun, muss im reflexionsfreien Recherchetrieb, allenfalls im persönlichen voyeuristischen Interesse des Reporters liegen. Die Hörerschaft dürfte aus nachvollziehbaren Überlegungen aus den Bildern eher wenig Nutzen ziehen. Nachhaltiger kann man den Ruf einer Person nicht zerstören.
An der Sexualmoral kratzend
Schmierig ging die «Basler Zeitung» zu Werke, die ihre Spezialeinheit für scheinheilige, tugendritterliche Recherchen ins Feld schickte: Joël Hoffmann und dessen Vorgesetzten Daniel Wahl, bei dem jedes Mal die Rute ausschlägt, wenn irgendjemand an seiner Sexualmoral kratzt. Dann gibts kein Halten und kein Schamgefühl mehr. Aktenkundig ist die Episode, als Wahl seine eigene Tochter einspannte, um gegen den Aufklärungsunterricht an deren Schule Stimmung zu machen.
Die BaZ-Männer schleichen sich in ihrer Reportage an den Stoff ran. Erst mahnen sie noch vor den Folgen, sollte sich die Story als haltlos erweisen. Nur um sich dann an der «frivolen Lehrerin» (O-Ton) zu verlustieren. So viel Chuzpe muss man erst mal haben.
Schalten wir rein in den Text: «‹Wir würden alle gerne mit ihr schlafen›, sagt ein Bursche. Der Spruch ist ihm ernst, und die ebenfalls 16-jährigen Schülerinnen pflichten bei: ‹Alle Buben stehen auf die Lehrerin.› Ist die Frau denn so attraktiv? ‹Oh ja›, sagt ein weiterer Junge. ‹Für ihr Alter ist sie sehr schön›, sagt ein weiteres Mädchen. Die Gruppe nickt.»
Kopfkino abschalten
Nun ist der Schaden angerichtet. Gleichwohl ein Ratschlag mit auf den Weg, geschätzte Kollegen, falls sich die Geschichte irgendwann wiederholen sollte. Dann müsst ihr tief durchatmen, eine Zigarette rauchen, und dann das Kopfkino wieder ausschalten. Sollte das nicht helfen: Hier wird euch Abhilfe verschafft (ab 18 Jahren).