Der Europacup-Teilnehmer Zürich verschiebt in der Challenge League die Grenzen. 5000 Saisonkarten hat der Cupsieger abgesetzt. Heute bestreitet der FCZ gegen Winterthur das erste Heimspiel.
In Deutschland gehen sie mit dem Superlativ zwar grosszügig um, aber im Zusammenhang ihrer zweithöchsten Klasse liegen sie nicht falsch: «Die beste zweite Liga der Welt!» Elf Millionen Zuschauer lockte sie an, pro Spiel über 19’000.
Von einer solchen Basis kann die Swiss Football League nur träumen, der Enthusiasmus für die Zweitklassigkeit verflüchtigt sich rasch einmal. Der Aufsteiger Lausanne spielte im Schnitt vor 3757 Anhängern, für einen ambitionierten Klub wie den FC Wil interessierten sich knapp 1300 Leute, Le Mont mobilisierte im Waadtländer Jura 518 Fans.
Der FC Zürich und Servette kommen zusammen auf 29 Meistertitel und 16 Cup-Trophäen.
Das profane Leben in der Schweizer Fussball-Anonymität könnte sich nun aber markant ändern, im medial bisher etwas vernachlässigten Biotop der Insider und teilweise ergrauten Habitués ist mit einer kräftigen Frischwasserzufuhr zu rechnen. Involvierte und langjährige Beobachter sprechen unisono von einer «heimlichen Super League».
Ein prominenter Absteiger und die Promotion eines Altmeisters haben die Ausgangslage grundlegend verändert: Der FC Zürich und Servette kommen zusammen auf 29 Meistertitel und 16 Cup-Trophäen. Mit dem FC Wil, der auch in der zweiten Saison seit dem Einstieg türkischer Investoren deutlich mehr als zehn Millionen Franken investiert, sowie den früheren Champions Xamax und Aarau ist weiteren Vereinen Promotionspotenzial zu attestieren.
5000 Saisonkarten
Ob der im Frühling vor allem instabile FCZ seinen Niedergang in die Zweitklassigkeit tatsächlich bewältigt hat, wird sich weisen. Der zunächst grenzenlose Frust der Anhänger ist inzwischen Optimismus gewichen. 5000 Saisonkarten hat der Klub abgesetzt, die Fans reichen der Equipe nach Wochen der Zerrüttung quasi die Hand, und Uli Forte ist überzeugt: «Wir treten überall mit einem 12. Mann an.»
Guten Support hat der Cupsieger vermutlich nötig. Für die Zürcher Prominenz bahnen sich schwierige Monate an. «Uns rollt niemand den roten Teppich aus», so Forte. Das für Challenge-League-Verhältnisse luxuriös und doppelt besetzte Kader hat in der Provinz auf teilweise zweitklassigen Terrains mit erbittertem Widerstand zu rechnen. Das Kontrastprogramm wird im Herbst erheblich sein – im feinen Zwirn zum Europa-League-Dinner, dann wieder grauer Alltag gegen den vor zehn Jahren fünftklassigen FC Le Mont oder im baufälligen Stadio Comunale Chiassos im Südtessin.
«Für mich gibt es nur etwas, das zählt: die Challenge League. Alles andere ist das Dessert.»
Der abgestürzte FCZ wird lernen müssen, die Prioritäten richtig zu setzen. Coach Forte kommuniziert in dieser Beziehung klipp und klar: «Für mich gibt es nur etwas, das zählt: die Challenge League. Alles andere ist das Dessert.» Wegen des europäischen Intermezzos das Tagesgeschäft aus den Augen zu verlieren, ist für den 42-Jährigen keine Option.
Auf einen Totalumbau hat Forte verzichtet, viele der Verlierer stehen weiterhin auf der üppigen Lohnliste. Das Management um Klubchef Ancillo Canepa senkte den Aufwand nicht, auch wenn der Umsatz unter die 20-Millionen-Marke fallen dürfte. Der FCZ reicherte seine Equipe mit mehreren älteren Charakterköpfen an.
«Wir brauchen jetzt erfahrene Leute, die wissen, wie die Liga tickt», sagt Forte und will einen «giftigen und galligen» FCZ sehen, der nicht «ein bisschen durch die Challenge League spaziert. Keiner soll jammern, wenn wir auf die Knochen bekommen. Mit Händen und Füssen soll er sich dann wehren.»
Chance für die Liga
Der Sonderfall Zürich wertet den Betrieb auf und beschäftigt die Konkurrenz. Axel Thoma, in Schaffhausen seit März die neue starke Figur, ist ein profunder Kenner der Schweizer Szene. «Attraktiver und qualitativ besser war diese Liga noch nie.» Am Ende werde sich die Qualität durchsetzen – also der Stadtklub, so der frühere GC-Manager.
Winterthurs Geschäftsführer Andreas Mösli nimmt neben gewissen Nachteilen («Das Lohnniveau steigt») primär die Aufwertung der Challenge League wahr. «Als Fan freue ich mich auf die Begegnung mit dem FCZ.» Der Grossklub tue dem Produkt gut: «Das mediale Interesse nimmt zu. Ich sehe die spezielle Konstellation als Chance für eine bessere Vermarktung der Liga.»