Der Zürcher Soziologieprofessor Kurt Imhof ist am Sonntagmorgen 59-jährig in Zürich gestorben. Er erlag im Zürcher Unispital einem Krebsleiden. Er galt als Kämpfer für die Qualität der Medien und streitbarer Zeitgenosse.
Im Oktober noch präsentierte er das fünfte Jahrbuch «Qualität der Medien», das er ins Leben gerufen hatte, und kam zum Schluss, dass die Qualität der Schweizer Medien weiter erodiert. Als Wurzel des Übels nannte er, dass die niedrige Qualität belohnt werde und warnte davor, dass die informierte Demokratie auf dem Spiel stehe.
«Wir verlieren nicht nur einen kritischen und hervorragenden Forscher und Wissenschaftler, sondern auch einen Freund, der manchen von uns mehr als ein halbes Leben lang begleitet und gefördert hat», sagte Mark Eisenegger, Co-Institutsleiter des Forschungsinstituts Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög) der Universität Zürich, der Nachrichtenagentur sda.
Keine Angst vor schwierigen Themen
Sein Tod sei ein Verlust für die Wissenschaft, aber auch für die Gesellschaft. Denn Imhof habe sich nicht gescheut, «schwierige Themen zu erforschen und mit unangenehmen Befunden mutig an die Öffentlichkeit zu gehen, damit die Gesellschaft beispielsweise erfährt, dass die Qualität der Medien zurück geht». Dieses Ideal, das Kurt Imhof verkörpert habe, werde das fög weiterführen.
Dass jedoch die Meldung über den Tod von Kurt Imhof so schnell publik geworden sei, noch bevor alle Angehörigen hätten informiert werden können, sei bestürzend, sagte Eisenegger. Auch dies bestärke das fög, die Forschung zur Qualität der Medien mit vollem Elan weiterzuführen.
Medien als roter Faden im Lebenslauf
Imhof machte zunächst eine Lehre als Hochbauzeichner und holte die Matura auf dem zweiten Bildungsweg nach. Er studierte Geschichte, Soziologie und Philosophie an der Universität Zürich, erforschte für sein Lizenziat «Soziale Krisen und die Kreation von neuen Entwicklungsmustern» und doktorierte acht Jahre nach Studienbeginn mit einer Dissertation zur «Diskontinuität der Moderne».
Seinen Professorenposten erarbeitete er sich von der Pike auf: Er durchlief Assistenzzeiten, war Dozent und Lehrbeauftragter, Nationalfondsprojektleiter und vieles mehr. Seit 2000 hatte Imhof den Lehrstuhl für Publizistikwissenschaften und Soziologie an der Universität Zürich inne und leitete bis 2012 das fög.
Die Medien und ihre Entwicklung, ihr Wandel, ziehen sich wie ein roter Faden durch seinen Lebenslauf. Als Person, die die öffentliche Debatte nicht scheute, eckte er an – erntete aber auch Lob. Entsprechend waren am Sonntagabend die Reaktionen auf Twitter.
Medienschaffende und Kollegen ehren ihn
Stimmen aus der Medienszene sind überzeugt, dass die Schweiz einen Wächter über den Qualitätsjournalismus verloren hat. Er habe nicht nur den Medien den Spiegel «stets pointiert, streitlustig und kompetent» vorgehalten.
«War nicht oft einig mit Kurt Imhof- doch seine bewundernswert starrköpfige Mission für gute Medien wird hoffentlich einst nachhaltig sein», twitterte etwa Philipp Landmark, Chefredaktor des «St. Galler Tagblatt».
Aus der «Blick»-Redaktion schrieb Blattmacher Thomas Ley: «Ich lernte Kurt Imhof einst kennen als Professor, der grossartige Vorlesungen hielt. Und jetzt werd ich sogar seine Medienschelte vermissen.»
Auch von Studentinnen und Studenten wird der Tod Imhofs bedauert. Er sei einer der am wenigsten abgehobenen und «gmögigsten» Dozenten gewesen, der neue Standards bei Studien zur Medienqualität gesetzt habe. Aber auch: «Kurt Imhof – kein Professor hat hat mich je so kunstvoll beleidigt in meinem Studium wie er, aber von wenigen wurde ich mehr motiviert.»
Medienstar der Professorenschar
Das ehemalige Wochenmagazin «Facts» nannte ihn im Porträt zu seinem 50. Geburtstag «Medienstar der Professorenschar», der stets mit einer «poppigen Instantbotschaft» zur Stelle sei, während seine «Akademikerkollegen Tage brauchten, um einen Satz zu drechseln». Ob am Fernsehen, im Radio oder in Printmedien – Imhof war prägnant.
«Mit Kurt Imhof verliert die Soziologie und Medienwissenschaft eine engagierte Persönlichkeit, die neugierig das gesellschaftliche Geschehen ergründete und offen kommentierte, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen», sagte sein Kollege Ueli Mäder vom Soziologischen Institut der Universität Basel auf Anfrage. In seinen letzten Mails habe Imhof noch energisch und eindrücklich betont, wie er gegen den Krebs ankämpfen wolle.