Dr. Faustus stand Pate für «Paganini». Wie Faust dürstet Paganini nach Höherem. Wie Faust ist er bereit, dafür seine Seeele zu verkaufen. Wie Faust findet er die Liebe. Wie Faust scheitert er daran. Wonach dürstet «Paganini»?
Zu Beginn des Films tritt nach einer furiosen Opernpremière ein Geiger vor den Vorhang, der den Zuschauern das Nachhausegehen etwas versüssen soll. Doch niemand beachtet ihn. Es ist der talentierteste Geiger seiner Zeit. Was hilft ihm sein Genie, wenn niemand es schätzt? Was hilft es ihm, wenn niemand das Label Paganini kennt?
Dr. Faustus stand Pate für «Paganini». Wie Faust dürstet Paganini nach Höherem. Wie Faust ist er bereit, dafür seine Seeele zu verkaufen. Wie Faust findet er die Liebe. Wie Faust scheitert er daran. Faust dürstete nach höherem Wissen. Wonach dürstet «Paganini»?
Der Faustische Pakt des Künstlers
Der Anfang macht «Paganini» erst einmal zu einem Künstlerfilm. Doch dieser Paganini kommt gar nicht recht dazu, um seine Kunst zu ringen. Paganini kämpft nicht um eine neue Musik. Er ist bereits als Unbekanner ein verkanntes Genie. Er bleibt auch als Gefeierter ein Opfer. Einer, der von den Falschen umschwärmt wird.
Erst nachdem ein Teufel, der zufälligerweise ein Musik-Agent ist (oder umgekehrt) sich ihm nähert, um ihn zu reiten, wird er zu einem Star gemacht. Der schwarze Seelenhändler führt ihm alles zu, was die Künstlerlaunen so wünschen, vermarktet ihn geschickt, baut Gerüchte um ihn auf und eine Scheinwelt, mit dem Preis seiner Seele – nach dem Tod.
Die Seele verkauft sich leichter, als dass sich ohne sie leben lässt
Wer allerdings seine Seele verkauft – das erweisen die Geschichten der Teufelspakte – leidet bereits im Leben an seinem Handel. Als Paganini auf dem Höhepunkt seines Ruhms auf die Liebe stösst, ist er dem Zerfall schon nahe: Wie bei Faust fängt jetzt erst der Diskurs über den Sinn des Lebens an, ihn zu interessieren. Ausgerechnet für die mittelmässig begabte Tochter des Impresario der Londoner Oper schreibt er Arien, die er prächtig mit ihr aufführt, ohne sie damit als Geliebte zu gewinnen. Nur in einer Drogennacht darf er ihren Kelch trinken – glaubt er.
«Paganini» ist mehr ein Film über den Teufel (Jared Harris dämonisch) als über die Kunst des Geigers selbst: Der wahre Teufel ist nämlich die Maschinerie, in deren Fänge der Musikstar gerät: Die Agenten, die veröffentlichte Meinung, die Drogen, das Scheinleben machen aus ihm einen frühen Rockstar der Musikgeschichte. Der Film spart da nicht mit Andeutungen (auf z.B. Micheal Jackson mit Taschentuch vor dem weg geducktem Gesicht) und darf also gerne mit der Geste einer grossen Oper die Geschichte auskosten.
Eigentlich ein Rock-Classical
Tatsächlich ist der Film grossartig komponiert, lässt gerne auch heutige Ohren mal vergessen, dass da Klassik rockt. Wer hören will, darf gerne David Garrets neue Arrangements von Paganinis Partituren im begnadeten Main-Stream-Spiel wiederfinden. Was zu hören ist, ist jedenfalls in der Lage, eine fetzige Rockathmosphäre aus dem neunzehnten Jahrhundert zu locken. Es sind vielleicht nicht Hörerlebnisse, wie sie Nigel Kennedy ein Jahrhundert später suchte.
Dazu gesellt sich ein Schauspieler Ensemble das die Bilder aus dem neunzehnten Jahrhundert mit seinem Spiel belebt. In Dekors, die auch mal von Turner so hätten gesehen werden können, bewegen sich die Figuren vor wunderbaren Opernkulissen. Ein Leckerbissen für klassische Rock-nicht-Roller.
Mit dem Ende bleibt allerdings der Film der Historie eher treu als seiner Geschichte: Faust ist das nicht mehr: Faust findet in der Liebe die Grenze seines Wissensdurstes, und treibt seine Geliebte in den Tod. Paganinis Liebe hingegen findet einen braven Gatten und ein leidliches Auskommen als Sängerin. Das ändert nichts daran, dass Paganini ein Rockstar bleibt. Nur sein Tod ist vom Management nicht so medienwirksam ausgeschlachtet worden, wie etwa jener von Michael Jackson.
Der Film läuft zur Zeit in den Pathé-Kinos