Design Miami 2015: Kommerz zum Geburtstag

Klar, an einer Messe will und soll man verkaufen. Warum aber die Design Miami Basel neuerdings auf Autos und Uhren setzt, ist nicht ganz klar. «No fireworks», meinte Rodman Primack lakonisch, als nach der Verdankung der Sponsoren die versammelten Journalisten erwartungsvoll innehielten. Zum zehnten Geburtstag der Design Miami Basel hatte die eine oder der andere […]

Die Rechnung des Sponsors ist aufgegangen: Elaine Yang Lin Ngs Installation gehört wohl zu den meist fotografierten der Messe.

Klar, an einer Messe will und soll man verkaufen. Warum aber die Design Miami Basel neuerdings auf Autos und Uhren setzt, ist nicht ganz klar.

«No fireworks», meinte Rodman Primack lakonisch, als nach der Verdankung der Sponsoren die versammelten Journalisten erwartungsvoll innehielten. Zum zehnten Geburtstag der Design Miami Basel hatte die eine oder der andere wohl noch auf etwas Aussergewöhnliches gehofft. Aber es kam nichts.

Immerhin gab die Ausstellung im Erdgeschoss der Herzog-&-de-Meuron-Halle Anlass zur Hoffnung auf eine qualitativ ansprechende Messe. Die in den letzten Jahren manchmal etwas verloren wirkenden Installationen sind dieses Mal verschiedenen Typen mobiler Behausungen gewichen. Diese reichen von Edouard François’ vergoldeter und bei allem Willen zur Nachhaltigkeit dekadenten Luxushütte bis zum viel erwähnten «Better Shelter», das die UNO in Zusammenarbeit mit einem grossen schwedischen Möbelhaus als Antwort für die zahlreichen Flüchtlingscamps entwickelt hat.

Zwar ist kaum auszumachen, auf welcher Grundlage der Kurator der Ausstellung, André Balazs, zu seiner Auswahl gelangte – kurzweilig ist ein Gang durch die verschiedenen zerlegbaren Strukturen trotzdem. Ob es das Publikum auch wirklich zum Nachdenken anregt, wie es die Veranstalter vielleicht intendiert hatten, bleibt allerdings fraglich.



Shigeru Ban überträgt – zumindest aus westlicher Sicht – nicht ganz ironiefrei die japanische Holzarchitektur auf sein aus Karton und Papier bestehendes Teehaus. Im Vordergrund die Goldpanele von François’ goldenem Haus.

Shigeru Ban überträgt – zumindest aus westlicher Sicht – nicht ganz ironiefrei die japanische Holzarchitektur auf sein aus Karton und Papier bestehendes Teehaus. Im Vordergrund die Goldpanele von François’ goldenem Haus. (Bild: Benjamin Adler)

Für den Verkauf der auf der ersten Etage feilgebotenen Ware wäre zu viel Nachdenken über Flüchtlinge und Ressourcenknappheit ohnehin abträglich. Beim Anblick des gewohnten Prunks sind diese schwierigen Themen schnell vergessen. Zumal die diesjährige Messe auch auf die früheren Sonderausstellungen verzichtet, die aus verschiedenen Perspektiven den Designbegriff zu erhellen versuchten, ohne den Verkauf in den Mittelpunkt zu stellen.

Stattdessen reiht sich nun ein Verkaufsstand an den nächsten. Da wundert es dann auch kaum noch, dass der Hauptsponsor die grösste Fläche besetzt – sicher macht der Entwurf von Fahrzeugen einen wichtigen Teilbereich innerhalb der Designdisziplin aus, aber muss das unbedingt mit einem vor Virilität strotzenden (und mässig überzeugend proportionierten) SUV sein?



Dysfunktionalität – schwarz glänzende Flächen als Fussboden zeugen von fehlendem Designverständnis. Aber vielleicht ging es um die Schaffung von Arbeitsplätzen.

Dysfunktionalität – schwarz glänzende Flächen als Fussboden zeugen von fehlendem Designverständnis. Aber vielleicht ging es um die Schaffung von Arbeitsplätzen. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Einen Lichtblick meint man unweit des Boliden zu erkennen: Die letztes Jahr ausgesetzte Prämierung junger Designerinnen und Designer wurde dank einem neuen Sponsor wieder ins Leben gerufen. Ernüchterung tritt ein, wenn man die Ergebnisse betrachtet. Anstelle einer freien Auseinandersetzung mit einem Thema wie bis anhin wurden die drei Newcomer vom berühmten Schmuckproduzenten eingeladen, sich mit geschliffenem, glimmerndem Glas auseinanderzusetzen. Wie grosszügig! Dass dabei wunderbar fotogene Objekte zustande kamen, freut den Sponsor.



Die Rechnung des Sponsors ist aufgegangen: Elaine Yang Lin Ngs Installation gehört wohl zu den meist fotografierten der Messe.

Die Rechnung des Sponsors ist aufgegangen: Elaine Yang Lin Ngs Installation gehört wohl zu den meist fotografierten der Messe. (Bild: Benjamin Adler)



Und noch ein Beitrag eines eingebetteten Designers: Tomàs Alonsos Glasobjekte «47°».

Und noch ein Beitrag eines eingebetteten Designers: Tomàs Alonsos Glasobjekte «47°». (Bild: Benjamin Adler)

Natürlich wäre es naiv zu glauben, dass es bei einer der grössten und exklusivsten Designmessen der Welt um etwas anderes gehe als den Verkauf. Trotzdem haben die vor allem unter Primacks Vorgängerin Marianne Goebl geförderten Projekte und Sonderschauen einen wertvollen Beitrag geleistet, den vielerorts angebotenen und offenbar gut verkäuflichen Luxuskitsch besser zu ertragen. Bei der gegenwärtigen Ausgabe der Messe fällt einem dies wesentlich schwerer.

Innovative und freiere Beiträge wie etwa Sibylle Stoecklis weltumfassende Ess-Experimente gehen zwischen Swarowski und Audi praktisch unter. Und die Galerie Maniera ist derart an den Rand gedrängt, dass manche Besucher sie nicht einmal zu Unrecht für die Abstellkammer des benachbarten Riesenstands von Seomi halten. Dabei wäre der von Office Kersten Geers David Van Seeveren entworfene Hocker durchaus einen Blick wert.



Unsinniger Blickfang: Die zahlreichen zeitgenössischen Entwürfe buhlen um Aufmerksamkeit. So auch der Sitzfisch bei Southern Guild aus Cape Town.

Unsinniger Blickfang: Die zahlreichen zeitgenössischen Entwürfe buhlen um Aufmerksamkeit. So auch der Sitzfisch bei Southern Guild aus Cape Town. (Bild: Benjamin Adler)



Dagegen hat der Solo Chair bei Maniera kaum eine Chance: Ausgehend von einem in der Moderne immer wieder auftauchenden Dreibeiner haben die Entwerfer eine kleine Tischfläche hinzugefügt, die durch das Gegengewicht am vorderen Fuss ausbalanciert wird.

Dagegen hat der Solo Chair bei Maniera kaum eine Chance: Ausgehend von einem in der Moderne immer wieder auftauchenden Dreibeiner haben die Entwerfer eine kleine Tischfläche hinzugefügt, die durch das Gegengewicht am vorderen Fuss ausbalanciert wird. (Bild: Benjamin Adler)

Zum Glück gibt es im Bereich des historischen Designs wie immer Objekte zeitloser Schönheit, die einen wenigstens für einen Moment mit dem Thema Design versöhnen. Dazu gehören etwa die von Laffanour aus Paris angedeuteten Interieurs mit Möbeln von Charlotte Perriand, die während ihres Aufenthalts in Japan in den Dreissigerjahren entstanden sind. Oder die weniger schön präsentierten, aber ebenfalls sehenswerten Konsolentische von Gio Ponti bei der Galleria Rosella Colombari nur ein paar Stände weiter.

Aber selbst in der sonst soliden Abteilung der Design-Ikonen des 20. Jahrhunderts müssen dieses Jahr Abstriche gemacht werden. Man vermisst Paul Jackson mit seinen Alvar-Aalto-Möbeln ebenso wie die Galerie Fiedler, die die letzten Jahre Avantgarde-Entwürfe der frühen Moderne zeigte. Stattdessen tauchen dieses Jahr zum ersten Mal und überflüssigerweise zwei Anbieter mit edlen Uhren auf, die mit dem Konterfei berühmter und reicher Menschen werben.

Man hätte der Messe zum zehnten Geburtstag tatsächlich eine andere Entwicklung gewünscht. Eine Entwicklung, die den Besucherinnen und Besuchern einen Weg in die Designwelt gebahnt hätte, anstatt sie mit marktschreierischem Luxus zu erschrecken.



(K)ein Missverständnis: Wir sind nicht an der Uhren- und Schmuckmesse, sondern gleich gegenüber vom Autostand.

(K)ein Missverständnis: Wir sind nicht an der Uhren- und Schmuckmesse, sondern gleich gegenüber vom Autostand. (Bild: Benjamin Adler)



Laffanour zeigt japanisch inspirierte Interieurs von Charlotte Perriand mit seltenen Leuchten von Isamu Noguchi.

Laffanour zeigt japanisch inspirierte Interieurs von Charlotte Perriand mit seltenen Leuchten von Isamu Noguchi. (Bild: Benjamin Adler)



Selten gesehene italienische Klassiker: Konsolentische von Gio Ponti.

Selten gesehene italienische Klassiker: Konsolentische von Gio Ponti. (Bild: Benjamin Adler)



Renate Müller entwarf während DDR-Zeiten zahlreiche Spielsachen zu therapeutischen Zwecken. Für die Galerie R & Company hat sie die alten Zeiten aufleben lassen und einen modularen Spielplatz inklusive einer ganzen Pferdeherde geschaffen.

Renate Müller entwarf während DDR-Zeiten zahlreiche Spielsachen zu therapeutischen Zwecken. Für die Galerie R & Company hat sie die alten Zeiten aufleben lassen und einen modularen Spielplatz inklusive einer ganzen Pferdeherde geschaffen. (Bild: Hans-Jörg Walter)

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